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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Körper reparie­ren oder ersetzen ?
    Die Antwort hängt sicher mit den Kosten der Repa­raturen zusammen. Wieder bietet sich der Vergleich mit dem Auto an. Schenkt man Mercedes-Benz Glau­ben, dann sind die Autos dieser Marke so solide gebaut, daß sie jahrelang ihren Dienst verrichten, auch wenn man auf jegliche Wartung verzichtet – also nicht einmal das Ol wechselt. Danach wird natürlich auch ein Mer­cedes wegen der angesammelten, nicht mehr zu repa­rierenden Schäden den Geist aufgeben. Mercedes-Besit­zer entscheiden sich deshalb im allgemeinen für eine re­gelmäßige Wartung ihres Fahrzeugs. Mercedes-Fahrer aus meiner Bekanntschaft erzählen mir, daß die War­tung bei dieser Marke sehr teuer ist und jeder Werk­stattbesuch ein paar hundert Dollar verschlingt. Den­noch finden sie, daß sich die Ausgabe lohnt. Ein gewar­teter Mercedes hält viel länger als ein ungewarteter, und es kommt einen wesentlich billiger zu stehen, einen al­ten Mercedes regelmäßig zu warten, als ihn abzustoßen und alle paar Jahre einen neuen anzuschaffen.
    So jedenfalls argumentieren Mercedes-Besitzer in Deutschland und Amerika. Aber nehmen Sie einmal an, Sie lebten in Port Moresby, der Hauptstadt von Pa­pua-Neuguinea und der Stadt mit den relativ meisten Autounfällen weltweit, wo jedes Auto mit hoher Wahr­scheinlichkeit innerhalb eines Jahres zu Schrott gefah­ren wird, egal wie man es pflegt und wartet. Viele Auto­besitzer in Neuguinea ersparen sich die Wartungskosten und legen das Geld lieber für den unvermeidlichen Kauf ihres nächsten Autos beiseite.
    Analog hängt es von den Kosten der Reparaturen und von einem Vergleich der zu erwartenden Lebensdauer mit und ohne Reparaturen ab, wieviel ein Tier in sei­ne Selbstheilungskräfte investieren »sollte« (vom Stand­punkt der Evolution). Doch Fragen dieser Art gehören in den Bereich der Evolutionsbiologie, nicht der Physio­logie. Die natürliche Selektion maximiert tendenziell die Zahl der überlebenden Nachkommen, die wiederum selbst Nachwuchs hinterlassen. Die Evolution läßt sich somit als Strategiespiel auffassen, in dem das Individu­um gewinnt, dessen Strategie in der größten Nachkom­menschaft gipfelt. Folglich erweisen sich spieltheoreti­sche Überlegungen als nützlich, wenn wir herausfinden wollen, wie wir so wurden, wie wir sind. Das Problem der Lebensdauer und der Investition in Selbstheilungskräfte gehört seinerseits zu einer noch breiteren Klasse evolutionstheoretischer Probleme, auf die sich die Spieltheorie anwenden läßt : das Rätsel, wie eigentlich für ein vorteilhaftes Merkmal eine obere Be­grenzung festgelegt wird. Außer der Lebensdauer gibt es zahlreiche andere biologische Merkmale, welche die Fra­ge aufwerfen, warum die natürliche Selektion sie nicht länger oder größer, schneller oder häufiger werden ließ. Beispielsweise haben große, intelligente und flinke Men­schen offenkundige Vorteile gegenüber kleinen, dum­men und trägen Menschen – was besonders während des größten Teils der menschlichen Evolution galt, als wir uns noch vor Löwen und Hyänen schützen mußten. Warum wurden wir also nicht im Durchschnitt noch größer, intelligenter und schneller, als wir es jetzt sind?
    Diese Konstruktionsprobleme der Evolution sind we­niger simpel, als sie zunächst erscheinen mögen, und zwar aufgrund folgender Komplikation: Die natürliche Selektion wirkt auf ganze Individuen, nicht nur auf ein­zelne Teile von ihnen. Wer überlebt und Nachwuchs hin­terläßt oder auch nicht, das sind Sie insgesamt, nicht nur Ihr großes Hirn oder Ihre flinken Beine. Die Vergröße­rung eines bestimmten Körperteils könnte zwar in einer Hinsicht zweckmäßig sein, aber in anderer schädlich. So wäre es denkbar, daß es zu Problemen im Zusammen­spiel mit anderen Körperteilen kommt oder daß diesen zuviel Energie entzogen wird.
    Für Evolutionsbiologen lautet das Zauberwort im Zu­sammenhang mit dieser Komplikation »Optimierung«. Die natürliche Selektion gestaltet tendenziell jedes Merkmal so, daß dabei diejenige Größe, Geschwindig­keit oder Anzahl herauskommt, die das Überleben und den Fortpflanzungserfolg insgesamt maximiert, ausge­hend vom grundlegenden körperlichen Design des je­weiligen Tieres. Es tendiert also nicht jedes Einzelmerk­mal zum Maximalwert. Vielmehr erfolgt eine Konver­genz auf einem optimalen mittleren, weder zu großen noch zu kleinen Wert. Dadurch ist das Tier insgesamt erfolgreicher, als wenn das

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