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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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den fünfziger Jahren gewagt, sich derart zu präsentieren, so wären die Frauen so ab­gestoßen gewesen, daß er kaum Erfolg bei der Partner­suche gehabt hätte. Und das nicht, weil Bürstenhaar­schnitte besser an die Klimaverhältnisse während der letzten Jahre Stalins angepaßt wären oder ein lila Iroke­sen-Haarschnitt bessere Überlebenschancen in der Ära nach Tschernobyl böte. Vielmehr veränderten sich das männliche Aussehen und der weibliche Geschmack par­allel, wobei die Veränderungen viel rascher aufeinander folgten als die der Hautfarbe im Zuge der Evolution, da es ja keiner genetischen Mutationen bedurfte. Entwe­der gefiel den Frauen auf einmal der Bürstenhaarschnitt, weil gute Männer ihn trugen, oder die Männer legten sich diesen Haarschnitt zu, weil er guten Frauen gefiel, oder es handelte sich um eine Kombination aus beidem. Gleiches gilt umgekehrt für das weibliche Aussehen und den Geschmack der Männer.
    Für Zoologen ist die sichtbare geographische Variabi­lität, beim Menschen durch sexuelle Selektion hervor­gerufen, sehr beeindruckend. Ich habe in diesem Kapi­tel deutlich gemacht, daß ein Großteil unserer Variabi­lität das Nebenprodukt eines speziellen Merkmals des menschlichen Lebenszyklus ist, und zwar des wähleri­schen Verhaltens bei der Partnerwahl. Ich weiß von kei­ner wildlebenden Tierart, bei der die Augenfarbe in un­terschiedlichen Populationen grün, blau, grau, braun oder schwarz sein kann, während die Hautfarbe regio­nal von fast weiß bis schwarz variiert und als Haarfar­be rot, blond, braun, schwarz, grau oder weiß in Fra­ge kommt. Vielleicht gibt es, abgesehen von der benö-tigten Evolutionszeit, keine Grenzen dafür, mit welchen Farben uns die sexuelle Selektion schmücken kann. Für den Fall, daß die Menschheit weitere 20 000 Jahre über­lebt, prophezeihe ich hiermit, daß es Frauen mit natur­grünem Haar und roten Augen geben wird – und dazu Männer, die auf solche Frauen fliegen.

Kapitel 7
Warum müssen wir alt werden und sterben ?
    Tod und Altern stellen uns vor ein Rätsel, über das wir als Kinder oft Fragen stellen, um es dann in der Jugend zu verleugnen und im Erwachsenenalter nur widerstre­bend zu akzeptieren. Als College-Student machte ich mir kaum Gedanken über das Altern. Heute, mit 57 Jah­ren, kommt mir das Thema viel interessanter vor. Die Lebenserwartung weißer Erwachsener liegt in den USA derzeit bei 78 Jahren (Männer) bzw. 83 Jahren (Frauen). Nur wenige von uns werden 100 Jahre alt. Warum ist es so leicht, 80 zu werden, so schwer, die 100 zu errei­chen, und fast unmöglich, 120 zu werden ? Warum wer­den Menschen mit Zugang zur besten medizinischen Versorgung, warum werden Tiere in Käfigen mit jeder Menge Futter und ohne natürliche Feinde unweigerlich gebrechlich und sterben ? Wir haben es hier mit der au­genfälligsten Tatsache des Lebens zu tun, aber eine au­genfällige Erklärung gibt es dafür nicht.
    In der nackten Tatsache des Alterns und Sterbens glei­chen wir allen anderen Tieren. Doch im Detail haben wir im Laufe unserer Evolutionsgeschichte erhebliche Fort­schritte gemacht. Von keiner einzigen Menschenaffenart ist bekannt, daß je die gegenwärtige Lebenserwartung weißer Amerikaner erreicht wurde, und nur höchst sel­ten wird ein Menschenaffe einmal 50. Mithin altern wir langsamer als unsere nächsten Verwandten. Dieser Un­terschied mag sich zum Teil erst kürzlich eingestellt ha­ben, um die Zeit des »großen Sprungs« ; es wurden näm­lich nicht wenige Cro-Magnons über 60, während Nean­dertaler nur selten die Vierzig überschritten.
    Das langsame Altern hat für den menschlichen Le­bensstil entscheidende Bedeutung, da er auf der Wei­tergabe von Wissen beruht. Durch die Evolution der Sprache wurde es möglich, eine viel größere Menge an Wissen weiterzugeben als zuvor. Bis zur Erfindung der Schrift dienten die Alten als Speicher und Fundgrube von Wissen und Erfahrungen, wie sie es in Stammes­gesellschaften noch heute sind. Unter den Lebensbe­dingungen der Jäger und Sammler konnte der Wissens­schatz einer einzigen Person von über 70 Jahren über das Überleben oder Verhungern bzw. die Niederlage des gesamten Clans entscheiden. Unsere lange Lebensspan­ne war somit eine wichtige Voraussetzung für unseren Aufstieg aus dem Tierreich.
    Offensichtlich hing unsere Fähigkeit, ein hohes Alter zu erreichen, letzten Endes von kulturellen und techni­schen Fortschritten ab. Man kann sich gegen einen

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