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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Männchen Weibchen anlocken und sie in ihren Harem einladen. Anderssons Experiment bestand darin, bei neun Männ­chen einen Teil des Schwanzgefieders abzuschneiden, so daß es nur noch 15 Zentimeter lang war. Die abgeschnit­tenen Reste klebte er an das Schwanzgefieder von neun anderen Männchen an, das dadurch eine Länge von 75 Zentimeter erhielt. Dann wartete er nur noch ab, wo die Weibchen ihre Nester bauen würden. Es stellte sich her­aus, daß die Männchen mit dem künstlich verlängerten Schwanzgefieder im Durchschnitt über viermal so viele Weibchen anlockten wie die Männchen mit dem künst­lich verkürzten Gefieder.
    Als erste Reaktion auf Anderssons Experiment den­ken wir vielleicht: diese dummen Vögel ! Man stelle sich vor, ein Weibchen wählt ein Männchen als Vater für sei­nen Nachwuchs bloß deshalb aus, weil sein Schwanzge­fieder länger ist als das anderer Männchen ! Doch wir tä-ten besser daran, uns noch einmal zu vergegenwärtigen, was wir im letzten Kapitel über unser eigenes Verhalten bei der Partnersuche erfahren haben. Sind unsere Krite­rien wirklich so gute Indikatoren für genetische Quali­tät ? Legen nicht manche Männer und Frauen überstei­gerten Wert auf die Größe oder Form bestimmter Kör­perteile, die wirklich nur ganz willkürliche Signale der sexuellen Selektion darstellen? Wie kam es überhaupt, daß wir einem schönen Gesicht, das doch im Kampf ums Überleben völlig nutzlos ist, solche Bedeutung bei­messen ?
    Bei den Tieren sind manche der Merkmale, die sich von einer Rasse zur anderen unterscheiden, das Ergeb­nis sexueller Selektion. So variieren Löwenmähnen in der Länge und im Farbton. Bei den neuguineischen Pa­radiesvögeln der Gattung Astrapia haben die Männchen ein hübsches Schwanzgefieder, um den Weibchen zu imponieren, doch unterschiedliche Populationen ent­wickelten Gefieder unterschiedlicher Formen und Far­ben. Duchquert man die Insel von West nach Ost, so kann man breite violette, kurze weißliche, sehr lange weiße, lange violette und schließlich wieder breite vio­lette Schwanzgefieder beobachten. Ähnlich gibt es bei Schneegänsen zwei unterschiedliche Färbungen, eine bläuliche mit stärkerer Verbreitung in der westlichen und eine weiße mit stärkerer Verbreitung in der östli­chen Arktis. Vögel beider Farbtypen bevorzugen bei der Partnerwahl Angehörige des gleichen Typs. Könnte die Brustform und Hautfarbe beim Menschen ebenfalls das Ergebnis sexueller Vorlieben sein, die sich von Region zu Region willkürlich unterscheiden ?
    Nach 898 Seiten hatte sich Darwin selbst davon überzeugt, daß die Antwort auf diese Frage ein lautes »Ja« sein mußte. Er bemerkte, daß wir Brüsten, Haaren, Au­gen und Hautfarbe übermäßige Beachtung bei der Part­nerwahl schenken. Er stellte außerdem fest, daß Men­schen in unterschiedlichen Teilen der Erde schöne Brüste, Haare, Augen und eine schöne Haut nach dem definie­ren, was ihnen vertraut ist. Somit wachsen Fidschianer, Hottentotten und Schweden jeweils mit ihren eigenen erlernten, willkürlichen Schönheitsmaßstäben auf, was tendenziell zur Folge hat, daß sich jede Population kon­form zu diesen Maßstäben entwickelt, da zu sehr von ih­nen abweichende Einzelpersonen mehr Schwierigkeiten bei der Partnersuche haben.
    Darwin starb, bevor seine Theorie durch strenge Un­tersuchungen des tatsächlichen menschlichen Verhal­tens bei der Partnerwahl überprüft werden konnte. In den vergangenen Jahrzehnten wurden jedoch eine gan­ze Reihe solcher Studien durchgeführt, deren Ergebnis­se ich in Kapitel 5 zusammengefaßt habe. Demnach nei­gen wir dazu, solche Personen als Partner zu wählen, die uns in jeder erdenklichen Hinsicht ähneln, unter ande­rem in der Haar-, Augen- und Hautfarbe. Zur Erklärung dieses scheinbaren Narzißmus argumentierte ich, daß bei der Entwicklung unserer Schönheitsmaßstäbe eine Prägung auf diejenigen Personen erfolgt, die wir in der Kindheit am meisten zu Gesicht bekommen – vor allem also unsere Eltern und Geschwister. Ihnen ähneln wir zugleich äußerlich am stärksten, da wir ihre genetischen Anlagen teilen. Wenn Sie also hellhäutig, blauäugig und blond sind und in einer Familie hellhäutiger, blauäugi­ger Blonder aufwuchsen, dürften Sie diesen Personentyp von allen am schönsten finden und als Partner bevor­zugen. Indessen lernten meine dunkelhäutigen, dunkel­haarigen Freunde in Neuguinea, die unter ihresgleichen aufwuchsen, hellhäutige,

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