Der dritte Schimpanse
biologischen Reparaturmechanismen näher ansehen, denn das Altern läßt sich ja vereinfacht als Ausbleiben von Reparaturen bzw. als sich verschlechternder Gesamtzustand beschreiben. Unsere erste Assoziation beim Wort »Reparatur« bezieht sich wahrscheinlich auf jene Reparaturen, die uns am meisten Ärger bereiteten, nämlich Autoreparaturen. Auch unsere Autos werden alt und müssen sterben, aber wir geben viel Geld aus, um ihr unausweichliches Schicksal hinauszuschieben. Ähnlich sind wir auch unbewußt, aber doch ständig damit beschäftigt, uns selbst zu reparieren, und zwar auf jeder Ebene, von den Molekülen über das Gewebe bis hin zu ganzen Organen. Unsere Selbstheilungsmechanismen sind wie bei der Zuwendung, die wir dem Auto angedeihen lassen, von zweierlei Art : Schadensbehebung und periodische Erneuerung.
Ein Beispiel für Schadensbehebung am Auto ist das Ersetzen einer demolierten durch eine neue Stoßstange; wir wechseln die Stoßstange nicht etwa bei jedem Ölwechsel aus. Das offenkundigste Beispiel für Schadensbehebung an unserem Körper ist die Heilung von Verletzungen, also die Reparatur von Schäden an unserer Haut. Viele Tiere vollbringen viel imposantere Leistungen : Eidechsen lassen sich einen abgetrennten Schwanz nachwachsen, Seesterne und Krebse ihre Glieder, Seegurken ihre Eingeweide und Schnurwürmer ihre Gift -stilette. Auf der für uns unsichtbaren Ebene der Moleküle erfolgt die Reparatur unserer Erbsubstanz, der DNS, ausschließlich auf dem Weg der Schadensbehebung. Wir besitzen dafür Enzyme, die beschädigte Stellen in der DNS-Helix erkennen und reparieren, während der intakte Rest ignoriert wird.
Der andere Reparaturtyp, die periodische Erneuerung, ist ebenfalls jedem Autobesitzer wohlbekannt. In regelmäßigen Abständen wechseln wir das Öl, den Luft -filter und andere Verschleißteile, ohne erst auf eine Panne zu warten. Ähnlich werden in der Welt der Lebewesen Zähne regelmäßig auf vorprogrammierte Weise ersetzt : Menschen bekommen zweimal ein Gebiß, Elefanten sechsmal und Haie immer und immer wieder. Während wir mit dem Skelett, das uns bei der Geburt mit auf den Weg gegeben wurde, durchs ganze Leben gehen, erneuern Hummer und andere Gliederfüßer ihr Außenskelett regelmäßig, indem sie das alte abwerfen und sich ein neues wachsen lassen. Ein gutes Beispiel für vorprogrammierte Reparaturen ist auch das ständige Nachwachsen unseres Haars : Wie kurz wir es auch schneiden, es wächst immer wieder nach.
Die periodische Erneuerung macht auch vor der mikroskopischen und submikroskopischen Ebene nicht halt. Viele unserer Zellen werden ständig erneuert: Darmzellen etwa einmal alle paar Tage, Harnblasenzellen alle zwei Monate und rote Blutkörperchen alle vier Monate. Auf der Ebene darunter erfahren unsere Proteinmoleküle eine fortwährende Erneuerung, mit unterschiedlichem Tempo je nach Protein ; dadurch vermeiden wir, daß es zu einer Anhäufung beschädigter Moleküle kommt. Wenn Sie das Aussehen eines Ihnen nahestehenden Menschen heute mit einem Photo von vor einem Monat vergleichen, dann sieht er vielleicht noch genauso aus, aber viele der Moleküle, aus denen sich sein Körper zusammensetzt, sind andere. Die Natur nimmt uns Tag für Tag auseinander und setzt uns immer wieder zusammen.
Ein Großteil des tierischen Körpers kann also bei Bedarf repariert werden oder wird ohnehin periodisch erneuert, doch wieviel im einzelnen erneuerbar ist, unterscheidet sich je nach Körperteil und Spezies erheblich. Das beschränkte Reparaturvermögen des Menschen ist aus physiologischer Sicht keineswegs zwangsläufig.
Wenn Seesterne sich amputierte Glieder nachwachsen lassen können, warum dann wir nicht ? Was hält uns davon ab, wie ein Elefant sechsmal Zähne zu bekommen statt nur zweimal in jungen Jahren? Das würde uns Füllungen, Kronen und Prothesen ersparen. Warum beugen wir nicht der Arthritis vor ? – Wir müßten doch lediglich unsere Gliedmaßen periodisch wie Krebse erneuern. Warum schützen wir uns nicht vor Herzkrankheiten, indem wir unser Herz von Zeit zu Zeit erneuern, so wie Schnurwürmer ihre Giftstilette ersetzen ? Man würde doch annehmen, daß die natürliche Selektion denjenigen favorisieren würde, der nicht im Alter von 80 an einer Herzkrankheit stirbt, sondern weiterlebt und Nachwuchs produziert, bis er 200 Jahre alt ist. Warum können wir also nicht alles in unserem
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