Der dritte Schimpanse
bauen.
Ausgeklügelte neue Untersuchungen zur Lautbildung bei freilebenden Tieren, vor allem bei unseren Verwandten, den Primaten, bilden den Brückenkopf auf der tierischen Seite der Kluft. Es war stets klar, daß Tierlaute Vorläufer der menschlichen Sprache gewesen sein müssen, aber erst jetzt fangen wir an zu begreifen, wie weit manche Tiere bereits auf dem Weg zur Erfindung eigener »Sprachen« fortgeschritten sind. Demgegenüber war unklar, wo der Brückenkopf auf der menschlichen Seite lag, da alle heutigen menschlichen Sprachen im Vergleich zu Tierlauten unendlich weit fortgeschritten zu sein scheinen. Es konnte jedoch kürzlich gezeigt werden, daß eine gar nicht so geringe Zahl menschlicher Sprachen, die von den meisten Linguisten nicht zur Kenntnis genommen wurden, echte Beispiele für zwei primitive Stadien auf der menschlichen Seite der Brücke darstellen.
Viele freilebende Tiere verständigen sich mit Lauten, von denen uns Vogelgezwitscher und Hundegebell wohl am vertrautesten sind. Die meisten von uns verbringen den größten Teil ihres Lebens in Hörweite Laute aussto-ßender Tiere. Seit Jahrhunderten werden Tierlaute von Wissenschaftlern erforscht. Doch trotz dieser langen Geschichte des engen Miteinanders hat unser Wissen über diese allgegenwärtigen, vertrauten Laute erst kürzlich sprunghaft zugenommen, und zwar dank der Anwendung neuer Techniken : der Aufzeichnung von Tierlauten mit Hilfe von Kassettenrekordern; der elektronischen Analyse dieser Laute, um feine Variationen zu erkennen, die dem menschlichen Ohr sonst entgehen; dem Wiederabspielen aufgezeichneter Laute und der Beobachtung der Reaktion darauf; der Untersuchung der Reaktionen auf elektronisch veränderte Laute. Diese Methoden brachten die Erkenntnis, daß die lautliche Kommunikation der Tiere unserer Sprache viel mehr entspricht, als irgendjemand noch vor 30 Jahren vermutet hätte.
Die am höchsten entwickelte der bisher untersuchten »Tiersprachen« ist die der weitverbreiteten afrikanischen Grünen Meerkatzen. Diese Tiere, die in Bäumen und auf dem Boden der Savannen und Regenwälder gleicherma-ßen beheimatet sind, zählen zu den Affenarten, die Besucher der ostafrikanischen Wildparks am ehesten zu Gesicht bekommen. Sie müssen den Afrikanern während der Jahrhunderttausende unserer Geschichte als Homo sapiens vertraut gewesen sein. Gut möglich, daß sie schon vor über 3000 Jahren als Haustiere nach Europa gelangten. Gewiß waren sie jedenfalls europäischen Biologen bekannt, die seit dem 19. Jahrhundert Afrika erforschten. Viele, die nie einen Fuß auf afrikanischen Boden setzten, kennen den Anblick der Grünen Meerkatze aus dem Zoo.
Ebenso wie andere Tiere geraten freilebende Meerkatzen regelmäßig in Situationen, in denen eine effektive Verständigung ihnen das Leben retten würde. Rund drei Viertel aller Grünen Meerkatzen fallen früher oder spä-ter ihren natürlichen Feinden zum Opfer. Für eine Grü-ne Meerkatze ist es von entscheidender Bedeutung, zwischen einem Steppenadler, der zu den wichtigsten ihrer natürlichen Feinde gehört, und einem Weißrückengeier, der ungefähr gleich groß ist und ebenfalls am Himmel kreist, aber nur Aas frißt und keine Gefahr für lebende Affen darstellt, unterscheiden zu können. Es ist eine Sache von Leben oder Tod, bei Auftauchen des Adlers das Richtige zu tun und seine Verwandtschaft zu warnen. Erkennt man den Adler nicht, stirbt man. Warnt man seine Verwandten nicht, sterben sie und mit ihnen die eigenen Gene. Und flüchtet man wie vor einem Adler, wenn nur ein Geier seine Kreise zieht, verschwendet man Zeit, während Artgenossen in aller Ruhe weiter der Futtersuche nachgehen.
Grüne Meerkatzen sind aber nicht nur ständig auf der Hut vor natürlichen Feinden, sondern pflegen auch komplexe soziale Beziehungen untereinander. Die kleinen Horden, in denen sie leben, konkurrieren mit anderen Horden um Reviere. Folglich ist es auch sehr wichtig, den Unterschied zwischen einem Eindringling von einer fremden Horde, einem nicht verwandten Mitglied der eigenen Horde, der einem vielleicht Nahrung stiehlt, und einem engen Verwandten innerhalb der eigenen Horde, mit dessen Unterstützung man rechnen kann, zu kennen. In Schwierigkeiten geratene Meerkatzen müssen ihren Verwandten mitteilen können, daß sie es sind, die Hilfe brauchen, und niemand anders. Ferner müssen sie Futterquellen kennen und sich mit anderen darüber
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