Der dritte Schimpanse
»Rufe« zu. Wenn ich einen Leoparden auf mich zukommen sähe, würde ich vielleicht ebenfalls aus Reflex einen Schrei von mir geben, auch wenn niemand da wäre, um ihn zu hören. Und bei mancher körperlichen Anstrengung ächzen wir unwillkürlich, zum Beispiel beim Heben schwerer Gegenstände.
Nehmen wir an, Zoologen von einem fremden Stern mit einer hochentwickelten Zivilisation würden beobachten, wie ich beim Anblick eines Leoparden einen viersilbigen Schrei, zum Beispiel »Aah, Leopard«, ausstieße und auf einen Baum kletterte. Die Zoologen könnten durchaus Zweifel haben, ob ein Angehöriger einer so niederen Spezies wie ich zu etwas anderem als Grunzlauten der Emotion oder Absicht fähig ist – jedenfalls gewiß nicht zu symbolischer Kommunikation. Um ihre Hypothese zu testen, würden sie Experimente anstellen und genaue Beobachtungen vornehmen. Würde ich unabhängig davon schreien, ob sich jemand anders in Hörweite befindet, bestätigte das die Theorie, es handele sich nur um die Bekundung von Emotion oder Absicht. Würde ich nur in Anwesenheit einer anderen Person schreien und auch nur dann, wenn sich ein Leopard und kein Löwe näherte, wäre das ein Anzeichen fur eine Kommunikation mit einem ganz bestimmten äußeren Bezugsobjekt. Und wenn ich den Schrei in Anwesenheit meines Sohnes ausstieße, aber still bliebe, wenn sich der Leopard an einen Mann anpirschte, mit dem man mich oft streiten sah, so hätten die Zoologen aus dem All die Gewißheit, daß es sich um eine zielbewußte Kommunikation handelte.
Ganz ähnliche Beobachtungen überzeugten irdische Zoologen von der Verständigungsfunktion der Alarmrufe der Grünen Meerkatzen. Eine von einem Leoparden fast eine Stunde lang verfolgte Grüne Meerkatze blieb die ganze Zeit über still. Muttertiere stoßen mehr Alarmrufe in Begleitung ihrer Jungen als in Begleitung nicht mit ihnen verwandter Meerkatzen aus. Gelegentlich ertönt der »Leopardenruf« auch, wenn weit und breit kein Leopard zu sehen ist, aber ein Kampf mit einer anderen Horde tobt, in dem die eigene dabei ist, den kürzeren zu ziehen. Durch den falschen Alarm wird ein »Waffenstillstand« ermogelt, da alle Kampfteilnehmer erst einmal auf den nächsten Baum flüchten. Ein solcher Ruf ist eindeutig als absichtliche Kommunikation einzustufen, nicht etwa als automatische Bekundung von Furcht beim Anblick eines Leoparden. Und es handelt sich auch nicht bloß um einen beim Baumerklettern unwillkürlich ausgestoßenen Grunzlaut, denn das rufende Tier zeigt je nach den Umständen ein sehr unterschiedliches Verhalten : Es klettert auf einen Baum, springt von ihm herab oder tut gar nichts.
Die Annahme, daß ein genau definiertes äußeres Bezugsobjekt vorhanden ist, wird beim »Adlerruf« besonders deutlich. Von den großen, breitschwingigen Habichtvögeln reagieren die Meerkatzen mit diesem Ruf gewöhnlich auf den Steppen- und den Kronenadler, die beiden gefährlichsten ihrer gefiederten Feinde. Fast nie reagieren sie damit hingegen auf den Anblick eines Schlangenadlers oder Weißrückengeiers, die beide nicht als Meerkatzenräuber in Erscheinung treten. Von unten sehen Steppen- und Schlangenadler ziemlich ähnlich aus, was zeigt, daß die Meerkatzen sich gut auskennen müssen. Kein Wunder, denn schließlich hängt ja ihr Leben davon ab !
Bei den Alarmrufen handelt es sich keineswegs um unwillkürliche Angst- oder Absichtsbekundungen. Ihr äußeres Bezugsobjekt ist oft recht präzise definiert. Die Rufe der Meerkatzen sind als zielgerichtete Botschaften zu verstehen, die eher dann in ehrlicher Absicht ausgesandt werden, wenn dem Rufer am Empfänger der Botschaft etwas liegt ; Feinde können mit ihnen getäuscht werden.
Ein weiteres Argument, mit dem sich Skeptiker gegen Analogien zwischen Tierlauten und menschlicher Sprache wehren, bezieht sich darauf, daß der Mensch seine Sprache erlernt, während viele Tiere mit der instinktiven Fähigkeit geboren werden, arttypische Laute von sich zu geben. Junge Grüne Meerkatzen scheinen jedoch sehr wohl zu lernen, wie man Laute ausstößt und angemessen auf sie reagiert, ganz so wie Kleinkinder. Die Grunzlaute eines Meerkatzenjungen klingen anders als die des erwachsenen Tieres. Die »Aussprache« wird allmählich besser, bis sie im Alter von etwa zwei Jahren, also wenn das Jungtier etwa die Hälfte des Pubertätsalters erreicht hat, praktisch so klingt wie beim erwachsenen Tier. Das ist so, als
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