Der dritte Schimpanse
Kommunikationssysteme. Wir fangen gerade erst an, die Differenziertheit mancher von ihnen zu begreifen. Ferner werden wir sehen, daß es doch einige simple Sprachen gibt, die von modernen Menschen unwillkürlich erfunden wurden und die überraschend aufschluß-reich sind.
Kapitel 9 handelt vom Ursprung der Kunst, der edelsten aller menschlichen Erfindungen. Wieder scheint es eine unüberwindliche Kluft zwischen der Kunst des Menschen, die vermeintlich nur erfunden wurde, um Vergnügen zu stiften, und die nichts mit der Verbreitung unserer Gene zu tun hat, und jedem tierischen Verhalten zu geben. Dennoch gleichen Malereien und Zeichnungen in Zoos lebender Menschenaffen und Elefanten, unabhängig von den Motiven dieser eingesperrten Künstler, menschlichen Arbeiten so sehr, daß selbst Kunstsammler getäuscht werden konnten, die diese Werke kauften. Tut man schon solche Ergebnisse künstlerischen Schaffens von Tieren mit dem Hinweis ab, sie seien ja nicht auf natürliche Weise entstanden, will man doch nicht etwa auch jene sorgfältig arrangierten Farbkunstwerke, wie sie ganz normale männliche Laubenvögel präsentieren, von der Hand weisen? Die bunt geschmückten Lauben spielen zweifellos eine entscheidende Rolle bei der Weitergabe von Genen. Ich werde zeigen, daß die menschliche Kunst ursprünglich ebenfalls diesen Zweck hatte und ihm auch heute noch vielfach dient. Da Kunstwerke im Gegensatz zur Sprache archäologische Spuren hinterlassen, wissen wir, daß die Kunst erst zur Zeit des »großen Sprungs« ihren Vormarsch begann.
Für die Landwirtschaft, Gegenstand von Kapitel 10, gibt es im Tierreich einen Präzedenzfall, wenn auch keinen Vorläufer, und das sind die Gärten der Blattschneiderameisen, die weit von unserem Stammbau entfernt angesiedelt sind. Archäologischen Erkenntnissen zufolge geschah die »Wiedererfmdung« der Landwirtschaft durch den Menschen innerhalb der letzten 10 000 Jahre, also lange nach dem »großen Sprung«. Der Übergang vom Jäger- und Sammlerdasein zur Landwirtschaft wird gemeinhin als bedeutender Einschnitt unseres Werdegangs angesehen, da wir durch sie eine stabile Nahrungsmittelversorgung und erstmals freie Zeit erlangten, was als Voraussetzung für die großen Errungenschaften der modernen Zivilisation gilt. Bei sorgfältiger Untersuchung jenes Übergangs kommt man aber zu einem ganz anderen Schluß: Für die meisten Menschen brachte die Landwirtschaft Infektionskrankheiten, Fehlernährung und eine verkürzte Lebenserwartung. Zu den allgemeinen Veränderungen zählte, daß sich das relative Los der Frauen verschlechterte und die Klassengesellschaft begründet wurde. Mehr als jeder andere Meilenstein entlang dem Pfad vom Schimpansen- zum Menschentum vereint die Landwirtschaft untrennbar die Ursachen für unseren Aufstieg und Niedergang.
Der Mißbrauch toxischer Substanzen ist als weitverbreitete Eigenart des Menschen nur für die letzten 5000 Jahre belegt, seine Wurzeln könnten aber durchaus bis zu einer Zeit lange vor der Einführung der Landwirtschaft zurückreichen. Anders als bei dieser handelt es sich beim Drogenmißbrauch nicht um eine zweischneidige Errungenschaft, sondern um ein Übel in Reinkultur, das eine Bedrohung für das Überleben von Individuen, wenn auch nicht das unserer Spezies darstellt. Wie bei der Kunst denkt man auch beim Drogenmißbrauch zunächst weder an tierische Vorläufer noch an biologische Funktionen. In Kapitel 7 werde ich jedoch zeigen, daß sich der Drogenmißbrauch in ein breites Spektrum tierischer Körpermerkmale und Verhaltensweisen einfügt, die für den Träger gefährlich sind, deren Funktion aber paradoxerweise gerade auf dieser Gefahr beruht.
Während sich also tierische Vorläufer für fast jedes unserer typischen Merkmale finden lassen, handelt es sich dennoch um Besonderheiten, da wir die einzigen Lebewesen auf der Erde sind, die sie derart auf die Spitze trieben. Wie einzigartig sind wir aber im Universum? Wie wahrscheinlich ist die Entstehung intelligenter Lebensformen mit hochentwickelter Technik, wenn ein Planet die Voraussetzungen dafür einmal erfüllt ? War ihre Entstehung auf der Erde geradezu zwangsläufig ? Und ist mit ihnen auch auf unzähligen anderen Planeten zu rechnen, die um fremde Sterne kreisen ?
Es läßt sich nicht direkt nachweisen, daß Geschöpfe mit der Fähigkeit zur Entwicklung von Sprache, Kunst, Landwirtschaft und
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