Der dritte Schimpanse
schwächeren Alarmrufe ertönt als Reaktion auf das Erscheinen fremder Menschen und bewirkt, daß die Meerkatzen leise in einem Busch verschwinden oder sich in einen Baumwipfel begeben. Die postulierten Funktionen dieser drei schwächeren Alarmrufe wurden jedoch bislang noch nicht mit Tonbandexperimenten getestet und sind somit unbewiesen.
Auch in der Interaktion miteinander werden Grunzlaute ausgestoßen. Selbst für Wissenschaftler, die sich jahrelang mit den Grünen Meerkatzen beschäftigten, klingen diese »sozialen Grunzlaute« alle gleich. Als man sie aufzeichnete und eine elektronische Lautanalyse vornahm, schienen sich die Frequenzspektren auf dem Bildschirm zu gleichen. Erst bei genauer Ausmessung der Spektren konnten Cheney und Seyfarth (manchmal, aber nicht immer !) durchschnittliche Unterschiede zwischen den in vier sozialen Situationen ausgestoßenen Grunzlauten ermitteln : Wenn sich eine Meerkatze einer dominanten Meerkatze nähert, wenn sie sich einer untergeordneten nähert, wenn sie eine andere beobachtet und wenn sie eine konkurrierende Horde erblickt.
Als die Forscher den Meerkatzen die aufgezeichneten Grunzlaute aus den vier verschiedenen Kontexten vorspielten, zeigten diese feine Unterschiede in ihrem Verhalten. Zum Beispiel blickten sie in Richtung des Lautsprechers, wenn der Grunzlaut ursprünglich im Kontext »Annäherung an dominante Meerkatze« aufgezeichnet worden war, während sie in die Richtung schauten, in die der Ruf abgespielt wurde, wenn er ursprünglich im Kontext »Erblicken einer konkurrierenden Horde« aufgezeichnet worden war. Weitere Beobachtungen der Meerkatzen in der Natur ergaben, daß ihre natürlichen Rufe ebenfalls diese feinen Verhaltensunterschiede hervorriefen.
Grüne Meerkatzen erkennen jede Nuance in den Rufen natürlich viel genauer als wir. Ihnen bloß zuzusehen und zuzuhören, ohne ihre Rufe aufzuzeichnen und ihnen vorzuspielen, ergab keinen Hinweis darauf, daß sie über mindestens vier verschiedene Grunzlaute – und vielleicht noch weit mehr – verfügen. Wie Seyfarth schreibt, ähnelt die Beobachtung von Meerkatzen, die sich gegenseitig angrunzen, sehr der Beobachtung von Menschen, die in eine Konversation vertieft sind, ohne daß man hö-ren kann, was sie sagen. Es gibt keine oftpnsichtlichen Reaktionen oder Erwiderungen auf die Grunzlaute, so daß alles sehr mysteriös wirkt, jedenfalls so lange, bis man die Laute aufzeichnet und ihnen vorspielt. Aus diesen Entdeckungen wird deutlich, wie leicht der Umfang des Laut-Repertoires von Tieren unterschätzt wird.
Die Grünen Meerkatzen aus dem Amboseli-Park besitzen mindestens zehn »Wörter«, und zwar für »Leopard«, »Adler«, »Schlange«, »anderes gefährliches Säugetier«, »unbekannter Mensch«, »dominante Meerkatze«, »untergeordnete Meerkatze«, »Beobachtung einer anderen Meerkatze« und »Erblicken einer konkurrierenden Horde«. Doch fast jede Entdeckung von Elementen menschlicher Sprache bei Tieren stößt auf die entschiedene Skepsis vieler Wissenschaftler, die von der sprachlichen Kluft zwischen Mensch und Tier überzeugt sind. Es ist, als würde es ihnen bequemer erscheinen, den Menschen weiter als einzigartig anzusehen und jedem mit einer anderen Meinung die Beweislast aufzubürden. Solange kein hieb- und stichfester Beweis erbracht ist, wird jede Hypothese über sprachähnliche Elemente bei Tieren als überflüssig erachtet und abgelehnt. Mir persönlich kommen dagegen die Alternativhypothesen, mit denen die Skeptiker versuchen, tierisches Verhalten zu erklären, nicht selten viel komplizierter vor als die simple und oft plausible Erklärung, daß der Mensch eben nicht so einzigartig ist.
Man könnte eigentlich meinen, es sei doch nicht unbescheiden, die verschiedenen Rufe, mit denen die Grü-nen Meerkatzen auf Leoparden, Adler und Schlangen reagieren, so zu verstehen, daß sie sich tatsächlich auf diese Tiere beziehen oder als Botschaften an Artgenossen gerichtet sind. Doch die Skeptiker gehen lieber davon aus, daß nur Menschen in der Lage seien, absichtlich Signale auszusenden, die sich auf äußere Objekte oder Ereignisse beziehen. Entsprechend wurde als Erklärung angeboten, die Alarmrufe seien nur eine unfreiwillige Bekundung der jeweiligen emotionalen Befindlichkeit (»Ich habe tierische Angst !«) oder einer Absicht (»Gleich hüpf ich auf’n Baum«). Schließlich treffen solche Erklä-rungen ja für einige unserer eigenen
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