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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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verständigen können: zum Beispiel, welche der Tausende von Pflanzen- und Tierarten der Umgebung eßbar und welche ungenießbar sind und wo und wann man die eßbaren findet. Aus all diesen Gründen würden die Meerkatzen von einer effektiven Verständigung über ihre Welt sehr profitieren.
    Trotz des langen, engen Miteinanders von Mensch und Grüner Meerkatze wußten wir bis Mitte der sechzi­ger Jahre nichts über ihr komplexes Weltwissen und ihre Lautsysteme. Seither ergaben Verhaltensstudien, daß die Grünen Meerkatzen fein abgestufte Unterscheidun­gen zwischen verschiedenen Arten von Raubtieren so­wie untereinander treffen. Es werden völlig verschiede­ne Verteidigungsmaßnahmen ergriffen, je nachdem, ob Gefahr von einem Leoparden, Adler oder einer Schlan­ge droht. Die Meerkatzen reagieren unterschiedlich auf dominante und untergeordnete Mitglieder der eige­nen Horde, auf Mitglieder verschiedener rivalisieren­der Horden sowie auf ihre Mutter, Großmutter mütter­licherseits, Geschwister und nicht verwandte Mitglieder der eigenen Horde. Sie wissen, wer mit wem verwandt ist : Schreit ein Meerkatzenbaby, dreht sich seine Mutter zu ihm hin, während die anderen Mütter zur Mutter des Babys schauen und warten, was sie wohl tun wird. Es ist, als hätten die Grünen Meerkatzen Namen für verschie­dene Raubtierarten und mehrere Dutzend einzelne Mit­glieder der eigenen Art.
    Der erste Hinweis darauf, wie sich die Meerkatzen die­se Informationen mitteilen, stammte von Beobachtun­gen des Biologen Thomas Struhsaker im kenianischen Amboseli-Nationalpark. Er fand heraus, daß drei Arten von Raubtieren verschiedene Abwehrmaßnahmen und Alarmrufe auslösten, wobei sich letztere so deutlich un­terschieden, daß Struhsaker keine aufwendige elektroni­sche Analyse vorzunehmen brauchte. Bei Begegnungen mit einem Leoparden oder einer anderen großen Wild­katze geben die Männchen eine Folge bellender Laute und die Weibchen ein hohes Piepsen von sich, worauf­hin alle Artgenossen in Hörweite geschwind auf einen Baum klettern. Beim Anblick eines über ihnen kreisen­den Kronen- oder Steppenadlers geben Grüne Meerkat­zen beiderlei Geschlechts einen kurzen zweisilbigen Hu­stlaut von sich, woraufhin in der Nähe befindliche Art­genossen aufblicken oder gleich Schutz in einem Busch suchen. Erspäht eine Grüne Meerkatze eine Python oder eine andere gefährliche Schlange, stößt sie wieder einen anderen Laut aus, woraufhin sich in der Nähe befindliche Meerkatzen auf die Hinterbeine stellen und am Bo­den nach der Schlange Ausschau halten.
    Im Jahre 1977 begann ein zweiköpfiges Forschungs­team, das Ehepaar Robert Seyfarth und Dorothy Che­ney, den Beweis zu erbringen, daß diese Rufe tatsäch­lich die von Struhsaker vermutete Funktion hatten. Für ihre Experimente wählten sie folgende Vorgehensweise : Zunächst zeichneten sie einen der Rufe, deren Funkti­on von Struhsaker beobachtet worden war (zum Beispiel den »Leopardenruf«), auf Tonband auf. An einem späte­ren Tag, nach Lokalisierung derselben Horde, versteck­te Cheney oder Seyfarth das Bandgerät und den Laut­sprecher in einem Busch ganz in der Nähe, während der jeweils andere damit begann, die Meerkatzen mit einer Film- oder Videokamera zu filmen. Nach 15 Sekunden spielte einer der beiden Wissenschaftler das Band ab, während der andere die Kamera noch eine Minute lau­fen ließ, um zu sehen, ob sich die Meerkatzen in einer der vermuteten Funktion des Rufs angemessenen Weise verhielten (zum Beispiel, ob sie auf einen Baum kletter­ten, wenn ihnen der »Leopardenruf« vorgespielt wurde). Das Ergebnis war, daß der »Leopardenruf« tatsächlich die erwartete Reaktion zeitigte und daß »Adler«- und »Schlangenruf« ebenfalls zu dem Verhalten führten, das unter natürlichen Bedingungen damit verbunden schien. Folglich war der Zusammenhang zwischen dem beob­achteten Verhalten und den Rufen kein zufälliger.
    Mit den erwähnten drei Rufen ist der Wortschatz ei­ner Grünen Meerkatze aber noch lange nicht erschöpft . Neben den lauten und häufig ertönenden Alarmrufen dürfte es noch wenigstens drei schwächere Alarmru­fe geben, die seltener zu hören sind. Einer wird durch Paviane ausgelöst und veranlaßt zu größerer Wachsam­keit. Ein zweiter gilt Säugetieren wie Schakalen und Hyänen, die nur selten Meerkatzen jagen, und veranlaßt diese, das Tier im Auge zu behalten und sich vielleicht langsam auf einen Baum zuzubewegen. Der dritte der

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