Der dritte Zustand
deren Rand er die dummen Kalauer geschrieben hatte, zusammen und warf sie weg. Verfehlte aber den Papierkorb und war zu faul, unter den Tisch zu kriechen, um danach zu suchen. Hatte keinen Sinn. Bald würde ja sowieso das Tohuwabohu der Renovierungsvorbereitungen beginnen.
Er ging weiteren Kaffee machen, aß ein paar Scheiben Schwarzbrot mit Marmelade, um den Hunger zu stillen, mußte dann wiederum das Sodbrennen mit zwei Tabletten stillen und ging pinkeln – fuchsteufelswild auf seinen Körper, der nicht aufhören wollte, einen mit seinen endlosen Bedürfnissen zu stören, so daß man keinen Gedanken oder Gesichtspunkt in Ruhe zu Ende führen konnte. Zwei, drei Minuten stand Fima mit schräg gestelltem Kopf und leicht geöffnetem Mund reglos wie in tiefes Sinnen versunken da und hielt sein Glied in den Fingern. Trotz des Drucks auf der Blase vermochte er keinen Tropfen auszuscheiden. Deswegen griff er zu seiner alten List – zog die Spülung in der Hoffnung, das Wasserrauschen werde den schlaffen Penis an seine Pflicht erinnern. Da es sich jedoch um einen alten, abgenützten Trick handelte, ließ sich der nicht beeindrucken. Als wollte er sagen: Es wird Zeit, daß du ein neues Spielchen erfindest. Ließ sich gerade eben herab, ein schwaches, abgehacktes Tröpfeln von sich zu geben, als wolle er diesmal gnädig mit Fima umgehen. Sobald die Spülung aufhörte, versiegte auch dieses Bißchen. Die Blase blieb voll und drückte. Fima wiegte das Glied erst sanft, schüttelte es dann wütend, aber alles vergebens. Zum Schluß zog er erneut die Spülung, doch der Behälter war noch nicht vollgelaufen und gab statt einem tosenden Wasserfall nur ein verächtlich dünnes Rinnsal ab, als sei er schadenfroh auf Fima. Als schließe auch er sich dem Aufstand an, den das Telefon angezettelt hatte.
Und trotzdem blieb er hartnäckig. Wich nicht von der Klosettschüssel. Als wolle er seinem aufsässigen Penis den unbegrenzten Abnützungskrieg erklären: Mal sehen, wer als erster aufgibt. Das schlaffe Weichteil zwischen seinen Fingern erinnerte ihn plötzlich an den Körper eines Schleuderschwanzes – so ein ekliges, rauhes Geschöpf, das aus den Tiefen der Evolution hervorgeschnellt war und sich zu allem Ärger ausgerechnet ihm anden Leib gehängt hatte. In hundert oder zweihundert Jahren konnte sicher jedermann nach Belieben dieses lästige Überbleibsel durch eine winzige mechanische Vorrichtung ersetzen, die aufleichten Fingerdruck im Handumdrehen die überschüssige Flüssigkeit aus dem Körper ablaufen ließ. Allein schon die absurde Zusammenlegung von Fortpflanzungs- und Harnausscheidungssystem erschien ihm auf einmal ordinär und abgeschmackt, Ausdruck eines vulgären, geschmacklosen Humors, wie er pubertären Witzen eignete: Da wäre es ja auch nicht häßlicher gewesen, wenn die menschliche Fortpflanzung darauf beruhte, daß man sich gegenseitig in den Mund spuckte. Oder vielleicht dem anderen ins Ohr nieste.
Inzwischen hatte sich der Behälter gefüllt. Fima zog erneut die Spülung und konnte damit noch einen Stotterstrahl loseisen, der in dem Moment aussetzte, in dem die Spülung zu Ende war. Er wurde zornig: Welch ungeheure Anstrengungen investierte er nun schon dreißig Jahre lang, um sämtliche Wünsche und Kapricen dieses verwöhnten, egoistischen, korrupten, unersättlichen Schleuderschwanzes zu befriedigen, der einen ganz und gar zu seinem Vehikel machte – als sei man einzig und allein dazu erschaffen, ihn bequem von einem weiblichen Wesen zum nächsten zu kutschieren – und es einem nach all dem noch mit grobem Undank vergalt.
Als schelte er ein eigensinniges Kind, sagte Fima zu seinem Penis: »Gut. Du hast genau eine Minute, dich zu entscheiden. In fünfundfünzig Sekunden nach der Uhr mach’ ich zu und geh’ hier weg, egal ob du nachher leidest, bis du platzt.«
Diese Drohungen verstärkten offenbar nur die Bosheit des Schleuderschwanzes, der ihm eher noch mehr zwischen den Fingern zusammenschrumpfte. Fima entschied daraufhin, daß man nicht weiter nachgeben durfte. Wütend zog er den Reißverschluß hoch und klappte den Klosettdeckel herunter. Beim Rausgehen knallte er die Badezimmertür zu. Fünf Minuten später warf er auch die Wohnungstür hinter sich ins Schloß, widerstand am Briefkasten erfolgreich der Versuchung, die Zeitung herauszuziehen, und marschierte energisch in Richtung Ladenzentrum. Er hatte fest vor, auf die Bank zu gehen und vier Dinge zu erledigen, die er sich den ganzen Weg über
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