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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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einmal hilft was. Verbessert die Instandhaltung. Denn eine Mizwa 29 zieht die nächste nach sich. Das ist auch wie beim Auto, das man nach soundso viel Kilometern zur Wartung bringt – Vergaserreinigung, Ölwechsel und all das. Ist doch ganz natürlich – nachdem Sie was in die Erhaltung investiert haben, werden Sie künftig besser drauf achten. Damit der Wert nicht sinkt. Langsam, langsam wird Ihnen die alltägliche Instandhaltung sozusagen zur Routine. Das hab’ ich nur gebracht, um’s Ihnen ein bißchen verständlich zu machen.«
    »Ich besitze keinen Wagen«, sagte Fima.
    »Nein? Wirklich? Das zeigt mal wieder, daß alles vom Himmel geschickt ist. Da habe ich was für Sie. Ein Angebot, wie man’s sonst gar nicht findet. Vielleicht einmal im Leben.«
    »Ich kann nicht fahren«, sagte Fima.
    »Wir kriegen Sie für dreihundert Dollar pauschal durch die Prüfung. Fahrstundenzahl unbegrenzt. Oder wir finden einen Weg, das mit dem Kaufpreis zu koppeln. Was Besonderes. Genau für Sie. Aber legen Sie vorher nur mal Tefillin, und Sie werden sehen, wie Sie sich fühlen: wie ein Löwe.«
    »Mich hat Gott sowieso schon vergessen«, sagte Fima grinsend.
    »Und zweitens«, fuhr der junge Mann mit wachsender Begeisterung fort, als habe er nichts gehört: »zweitens sagen Sie niemals Weltlicher. So was gibts gar nicht, einen Weltlichen. Kein Jude auf der Welt kann weltlich sein. Schon der Ausdruck an sich deutet gewissermaßen einen Makel an oder ist gar, Gott bewahre, beleidigend oder gotteslästerlich. Wie es heißt, der Mensch bezichtigt sich nicht selbst des Bösen.«
    »Ich persönlich bin nun gerade einhundert Prozent weltlich«, beharrte Fima. »Erfülle kein einziges der 613 Gebote. Begehe nur ebenso viele Übertretungen.«
    »Irrtum«, stellte der Talmudstudent höflich, aber bestimmt fest, »völliger Irrtum, mein Herr. Es gibt nie und nimmer auch nur einen Juden auf der Welt, der keine Gebote erfüllt, kann’s gar nicht geben. Eins mehr, eins weniger. Wie der Rabbi sagt, der Unterschied ist nur quantitativ. Nicht qualitativ. Wie es keinen Gerechten auf Erden gibt, der nicht sündigt, so gibt es auch keinen Sünder auf Erden, der nicht ein wenig gerecht wäre. Ein Quentchen. Auch Sie, mein Herr, in allen Ehren, erfüllen jeden Tag mindestens ein paar Gebote. Selbst ein Mensch, der sich für einen völlig Abtrünnigen hält, selbst der tut jeden Tag einige Mizwot. Zum Beispiel, dadurch, daß Sie leben, erfüllen Sie schon das Gebot ›Wähle also das Leben‹. Alle ein, zwei Stunden, jedesmal wenn Sie eine Straße überqueren,wählen Sie das Leben, obwohl Sie, Gott behüte, auch das Gegenteil, möge der Himmel uns bewahren, hätten wählen können. Stimmt’s etwa nicht? Und dadurch, daß Sie Kinder haben, gesund sollen sie sein, haben Sie das Gebot ›Seid fruchtbar und mehret euch‹ befolgt. Und daß Sie in Erez-Israel leben, schlägt Ihnen gleich noch mal mit fünf, sechs Mizwot zu Buche. Und wenn Sie sich ab und zu freuen, haben Sie auch wieder ein Gebot erfüllt. Null gibt’s nicht. Allerdings können Sie oben schon mal im Minus sein, das ja, aber niemals senkt man Ihnen dort im Himmel das Kreditlimit. Anleihen können Sie unbegrenzt aufnehmen. Und aufgrund der paar Gebote, die Sie eben doch erfüllen, haben Sie droben inzwischen schon ein privates Sparkonto auf Ihren Namen, auf dem Sie jeden Tag noch ein wenig und noch ein wenig einzahlen, und täglich schreibt man Ihnen da auch Währungsausgleich und Tageszinsen gut und fügt es dem Stammkapital hinzu. Sie werden sich wundern, mein Herr, wie reich Sie schon sind, ohne es zu wissen. Wie geschrieben steht, ›Das Buch ist offen, und die Hand schreibt‹. Fünf Minuten Tefillinlegen, sogar weniger, glauben Sie mir, das tut nicht weh, und Sie heimsen schon wieder einen Zuschlag für den Schabbat ein. Was immer Ihr Geschäft in der niedrigen Welt sein mag, glauben Sie mir, keine andere Investition kann Ihnen innerhalb fünf Minuten bessere Rendite abwerfen. Das ist eine bekannte, wohlfundierte Tatsache. Nein? Nicht weiter schlimm. Vielleicht ist für Sie einfach noch nicht die Zeit gekommen, mit Tefillinlegen anzufangen. Wenn es so weit ist, werden Sie’s schon merken. Sie erhalten dann einfach ein untrügliches Zeichen. Die Hauptsache, mein Herr, Sie vergessen nicht, daß die Tore der reuigen Rückkehr offenstehen, rund um die Uhr, wie man sagt. Die werden nie zugemacht. Einschließlich Schabbat und Feiertage. Und was das Auto nebst Fahrprüfung betrifft,

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