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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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zwischen uns allen und den Mineralen im besonderen und der unbelebten Welt im allgemeinen erstreckt? Jede lebende, wachsende Zelle besteht aus einem Haufen unbelebter Stoffe, die ihrerseits keineswegs leblos sind, sondern ununterbrochen vor winzigen elektrischen Ladungen wimmeln. Elektronen. Neutronen. Herrscht etwa auch dort das Muster von Männlein und Weiblein, die sich weder verbinden noch trennen können? Fima grinste. Und kam zu dem Schluß, sich besser mit dem Burschen Joeser abzufinden, der in hundert Jahren an diesem Fenster stehen und auf seinen Schleuderschwanz starren würde und in dessen Augen er unwichtiger als eine Knoblauchschale sein mußte. Vielleicht wird ein Teil von mir, ein Molekül, ein Atom, ein Neutron, dann tatsächlich hier im Zimmer anwesend sein, dachte er, womöglich gerade in einer Knoblauchschale. Vorausgesetzt, die Menschen verwenden in künftigen Zeiten noch Knoblauch.
    Warum sollten sie eigentlich nicht?
    Nur mit Dimmi könnte man vielleicht über diese Träumereien reden.
    Jedenfalls besser Propheten und Eidechsen und Feigenblätter und Neutronen, als sein Hirn mit Bomben aus Nagellack vollzustopfen.
    Im Nu löste sich der Schleuderschwanz vom Fleck, krümmte sich und verschwand blitzschnell in oder hinter einem Regenrohr. Weg war er. Klipp und klar. Das Requiem von Fauré war zu Ende; es folgten Borodins Polowetzer Tänze, die Fima nicht mochte. Zudem brannte ihm das stärker werdende Licht in den Augen. Er machte das Fenster zu und begann einen Pullover zu suchen, kam aber zu spät und konnte den elektrischen Wasserkessel nicht mehr retten, der schon lange in der Küche gekocht hatte, bis das ganze Wasser verdampft war, so daß er jetzt nur noch nach Rauch und versengtem Gummi roch. Fima wußte, daß er zwischen einer Reparatur beim Elektriker auf dem Weg zur Arbeit und dem Kauf eines neuen Kessels wählen mußte.
    »Dein Problem, mein Lieber«, sagte er sich.
    Nachdem er eine Tablette gegen Sodbrennen zerkaut hatte, entschied er sich für Urlaub. Er rief die Praxis an und teilte Tamar mit, daß er heute nicht zur Arbeit kommen werde. Nein, er sei nicht krank. Ja, dessen sei er sicher. Alles in bester Ordnung. Ja, eine private Angelegenheit. Nein, er habe keinerlei Probleme und brauche keine Hilfe. Auf jeden Fall vielen Dank. Richte aus, daß ich mich entschuldige.
    Er begann im Telefonbuch zu suchen, und siehe da, welch ein Wunder, unter »T« fand er Tadmor, Annette und Jerucham in der Vorstadt Mewasseret Jeruschalaim.
    Annette persönlich nahm den Hörer ab.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte Fima. »Es spricht der Sekretär von gestern, Efraim. Fima. Vielleicht erinnern Sie sich, wir haben uns ein wenig in der Praxis unterhalten. Und da habe ich gedacht –«
    Annette erinnerte sich sehr gut. Brachte ihre Freude zum Ausdruck. Und schlug vor, sich in der Stadt zu treffen: »Sagen wir, in einer Stunde? Oder anderthalb? Wenn es Ihnen recht ist, Efraim? Ich habe gewußt, daß Sie mich heute anrufen würden. Bloß fragen Sie mich nicht, wieso. Ich hatte einfach so ein Gefühl. Irgend etwas zwischen uns ist gestern – ja, offengeblieben. Also in einer Stunde? Im Café Savion? Und falls ich mich ein bißchen verspäte – geben Sie die Hoffnung nicht auf.«

10.
Fima verzichtet und verzeiht
    Eine Viertelstunde lang wartete er an einem Seitentisch auf sie, dann wurde er hungrig und bestellte sich Kaffee und Kuchen. Am nächsten Tisch saß ein Knessetabgeordneter einer Rechtspartei in Gesellschaft eines bärtigen jungen Mannes von hübschem schlanken Aussehen, der Fima wie ein Funktionär aus einer Siedlung in den Gebieten vorkam. Sie unterhielten sich leise, aber hier und da konnte Fima einzelne Satzfetzen aufschnappen.
    »Ihr seid auch schon Schlappschwänze«, sagte der junge Mann. »Habt vergessen, wo ihr herstammt und wer euch hochgebracht hat.«
    Danach ging die Unterredung in Flüsterton über.
    Fima dachte daran, wie er gestern abend bei Nina das Weite gesucht, sich vor ihren Augen blamiert, in Teds Arbeitszimmer lächerlich gewirkt und Jael und sich im dunklen Treppenhaus erniedrigt hatte. Eigentlich wäre es jetzt ganz nett, eine Debatte mit den beiden Geheimniskrämern dort zu beginnen. Ohne Mühe hätte er sie kurz und klein gekriegt. Annette Tadmor mußte es sich anders überlegt haben, grübelte er, sicher hatte sie ihre Zusage bereut und würde nicht mehr zum Rendezvous erscheinen. Warum sollte sie auch? Ihre rundlich mollige Figur, ihre Niedergeschlagenheit,

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