Der Dritte Zwilling.
ausgesprochen wenig Ähnlichkeit aufweisen.«
»Und wenn die Mütter Nummer zwei und drei sich nicht zufällig begegnen, wird die verblüffende Ähnlichkeit ihrer Söhne nie jemandem auffallen.«
»Eines der Lieblingsthemen von Schnulzenschreibern«, gab Jeannie zu, »aber das ändert nichts daran, daß so etwas möglich ist.«
»Gibt es ein allgemeinverständliches Buch über Zwillingsforschung?« fragte Steve. »Ich möchte gern mehr darüber erfahren.«
»Ja. Ich habe hier eins …« Sie ließ den Blick über die Bücher auf dem Regal schweifen. »Nein, ich hab’ es zu Hause.«
»Wo wohnen Sie denn?«
»In der Nähe.«
»Wir könnten den Drink ja auch bei Ihnen nehmen.« Jeannie zögerte. Steven war freundlich, intelligent. Einer der normalen Zwillinge, keiner von den Psychopathen.
»Nach dem heutigen Tag wissen Sie sehr viel über mich«, sagte Steven. »Jetzt bin ich neugierig auf Sie. Ich möchte gern sehen, wie Sie wohnen.«
Jeannie zuckte die Achseln. »Klar, warum nicht? Kommen Sie.« Es war fünf Uhr nachmittags; als sie die Klapsmühle verließen, ließ die Hitze des Tages bereits nach. Steve stieß einen Pfiff aus, als er den roten Mercedes sah. »Ein toller Schlitten!«
»Ich habe ihn seit acht Jahren«, sagte Jeannie. »Hänge mit Leib und Seele daran.«
»Mein Wagen steht auf dem Parkplatz. Ich setz’ mich hinter Sie und blinke Sie an, sobald wir losfahren können.«
Er schlenderte davon. Jeannie stieg ein und ließ den Motor an. Einige Minuten später sah sie ein Scheinwerfersignal im Innenspiegel. Jeannie lenkte den Wagen vom Parkplatz und fuhr los.
Als sie den Campus verließ, sah sie einen Streifenwagen, der sich hinter Steves Auto setzte. Sie warf einen Blick auf den Tacho und verringerte die Geschwindigkeit auf dreißig Meilen die Stunde.
Es hatte ganz den Anschein, als wäre Steve in sie verknallt. Irgendwie gefiel Jeannie dieser Gedanke, wenngleich sie seine Gefühle nicht erwiderte. Doch es war schmeichelhaft, das Herz eines hübschen jungen Burschen gewonnen zu haben.
Steven blieb die ganze Fahrt über dicht hinter Jeannies Wagen. Vor ihrer Wohnung angelangt, lenkte sie den Mercedes an den Bordstein. Steven parkte dicht hinter ihr.
Wie in vielen alten Straßen Baltimores gab es auch hier eine Art durchgehende Veranda, eine Treppe mit anschließender Plattform, die an der Häuserreihe entlangführte und auf der die Bewohner an warmen Tagen Kühle suchten, wenn man die Klimaanlage noch nicht einschalten mußte. Jeannie ging über die Veranda, blieb vor der Tür stehen und nahm die Schlüssel heraus.
Zwei Polizisten sprangen aus dem Streifenwagen, die Waffen in den Fäusten. Sie nahmen Schußhaltung ein, die Arme steif nach vorn ausgestreckt. Ihre Revolver zielten genau auf Jeannie und Steven. Jeannies Herz setzte einen Schlag aus.
»Was, zum Teufel …«, sagte Steven.
»Polizei!« rief einer der Cops. »Hände hoch, und keine falsche Bewegung!«
Jeannie und Steve hoben die Arme.
Doch die Polizisten behielten ihre angespannte Haltung bei. »Auf den Boden, Arschgeige!« brüllte einer der beiden. »Gesicht nach unten, Hände hinter den Kopf!«
Jeannie und Steve legten sich bäuchlings auf den Boden. Der Polizist näherte sich ihnen, als wären sie tickende Zeitbomben. »Finden Sie nicht, daß Sie uns sagen sollten, was das alles soll?« fragte Jeannie.
»Sie können aufstehen, Lady«, erwiderte der Cop.
»Oh, Mann, danke.« Jeannie erhob sich. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, doch es schien offensichtlich, daß die Polizisten irgendeinen dummen Fehler gemacht hatten. »Jetzt, da Sie mich halb zu Tode erschreckt haben - würde Sie mir erklären, was hier vor sich geht?«
Die Cops antworteten immer noch nicht. Beide hielten ihre Waffen auf Steve gerichtet. Einer kniete neben ihm nieder und legte ihm mit einer geübten, raschen Bewegung Handschellen an. »Du bist verhaftet, Schweinepriester«, sagte der Cop.
»Ich bin eine tolerante Frau«, erklärte Jeannie, »aber muß dieses Fluchen wirklich sein?« Niemand nahm auch nur die geringste Notiz von ihr. Sie versuchte es noch einmal. »Was wird dem Jungen eigentlich vorgeworfen?«
Mit kreischenden Reifen kam ein blaßblauer Dodge Colt hinter dem Streifenwagen zum Stehen. Zwei Personen stiegen aus. Die eine war Mish Delaware, die Sergeantin von der Abteilung für Sexualverbrechen. Sie trug denselben Rock und die Bluse wie am Morgen, hatte sich nun aber eine Leinenjacke übergezogen, die den Revolver an ihrer Hüfte nur
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