Der Dritte Zwilling.
aufgewachsene Paare. Für Jeannies Forschung konnte es einen Quantensprung nach vorn bedeuten. Doch zuerst einmal brauchte sie die Genehmigung des FBI.
Jeannies beste Schulfreundin war Ghita Sumra gewesen, ein mathematisches Genie von asiatisch-indischer Abstammung. Ghita besaß inzwischen eine leitende Stellung in der Abteilung für Informationstechnologie beim FBI. Sie arbeitete in Washington, D. C., wohnte aber in Baltimore.
Ghita hatte sich bereits einverstanden erklärt, ihre Vorgesetzten zu bitten, mit Jeannie zusammenzuarbeiten, und ihr versprochen, bis zum Ende der Woche Bescheid zu geben. Nun aber wollte Jeannie die Sache beschleunigen. Sie wählte Ghitas Nummer.
Ghita war in Washington geboren, doch ihre Stimme verriet noch immer ihre Herkunft vom indischen Subkontinent: Die Aussprache war melodisch, und die Vokale klangen weich und rund. »Hey, Jeannie, wie war das Wochenende?« fragte sie.
»Schrecklich«, erwiderte Jeannie. »Meine Mutter ist durchgedreht. Ich mußte sie in ein Heim bringen lassen.«
»Oh, das tut mir ehrlich leid. Was hat sie denn getan?«
»Sie hat vergessen, daß es mitten in der Nacht war, als sie aufgestanden ist. Sie hat vergessen, sich anzuziehen, als sie eine Tüte Milch kaufen wollte. Sie hat vergessen, daß sie wegen dieserTüte Milch nicht bis Washington hätte laufen müssen. Und dann hat sie vergessen, wo sie wohnt.«
»Mein Gott. Und was ist geschehen?«
»Die Polizei hat sie gefunden. Gott sei Dank hatte Mom einen Scheck von mir in der Geldbörse, so daß die Beamten wußten, an wen sie sich wenden konnten.«
»Und wie bist du damit klargekommen?«
Das war eine Frage, wie nur eine Frau sie stellte. Die Männer - Jack Bulgen, Berrington Jones - hatten wissen wollen, wie es nun weitergehen solle. Es brauchte schon eine Frau, um sich danach zu erkundigen, wie Jeannie sich fühlte.
»Schlecht«, sagte sie. »Ich muß mich um Mutter kümmern, aber wer kümmert sich um mich? Verstehst du?«
»Wo ist deine Mutter jetzt?«
»In einem drittklassigen Pflegeheim. Etwas anderes können wir uns mit dem Geld aus ihrer Krankenversicherung nicht leisten. Ich muß sie da rausholen, sobald ich eine bessere Bleibe bezahlen kann.« Am anderen Ende der Leitung trat Schweigen ein. Jeannie erkannte, daß Ghita die Bemerkung offenbar so aufgefaßt hatte, als wollte die Freundin sie anpumpen. »Ich werde wohl an den Wochenenden Nachhilfestunden erteilen«, fügte Jeannie rasch hinzu. »Hast du mit deinem Chef schon über meinen Vorschlag gesprochen?«
»Allerdings.«
Jeannie hielt den Atem an.
»Hier ist jeder sehr an deiner Software interessiert«, sagte Ghita.
Das war kein Ja und kein Nein. »Ihr habt keine Scannersysteme, stimmt’s?«
»Doch, die haben wir, aber deine Suchmaschine ist schneller als alles, was wir aufbieten können. Hier werden bereits Gespräche darüber geführt, die Rechte an der Software von dir zu erwerben.«
»Hey! Vielleicht brauche ich mir dann doch nicht die Wochenenden mit Nachhilfe um die Ohren zu schlagen.«
Ghita lachte. »Bevor du die Champagnerkorken knallen läßt - wir müssen uns erst davon überzeugen, daß dein Programm tatsächlich läuft.«
»Und wann soll das geschehen?«
»Wir werden irgendwann einen nächtlichen Probelauf machen, damit es zu einer kleinstmöglichen Überschneidung mit der routinemäßigen Nutzung unserer Datenbank kommt. Ich muß also auf eine ruhige Nacht warten. Das dürfte eine, höchstens zwei Wochen dauern.«
»Geht es nicht schneller?«
»Gibt es einen Grund zur Eile?«
Den gab es, doch es widerstrebte Jeannie, Ghita von ihren Sorgen zu erzählen.
»Ich bin bloß ungeduldig«, sagte sie.
»Ich werde die Sache so rasch wie möglich erledigen, keine Bange. Kannst du mir das Programm per Modem rüberschicken?«
»Ja, sicher. Aber meinst du nicht, ich sollte dabei sein, wenn ihr den Probelauf macht?«
»Nein, Jeannie, das ist nicht nötig«, sagte Ghita mit einem Lächeln in der Stimme.
»Natürlich. Von EDV verstehst du mehr als ich.«
»Ich gebe dir jetzt die Nummer.« Ghita las eine E-Mail-Anschrift vor, und Jeannie notierte sie sich. »Ich schicke dir die Ergebnisse auf dem gleichen Weg zurück.«
»Danke. Hör mal, Ghita …«
»Ja?«
»Hast du vielleicht ‘ne Datei übrig, in der ich meine Millionen vor dem Finanzamt verstecken kann?«
»Jetzt aber raus aus der Leitung!« Ghita lachte und legte auf.
Jeannie klickte mit der Maus America Online an, um eine Internet-Verbindung herzustellen.
Weitere Kostenlose Bücher