Der Dritte Zwilling.
…«
»Keine überflüssigen Bemerkungen bitte, Dave«, sagte die erste Männerstimme.
»Das hier ist keine Plauderstunde, sondern ein offizielles rechtliches Verfahren.«
Schließlich kam von einer Seite ein Detective auf die Bühne und reichte jedem in der Reihe eine Baseballmütze. Die Männer setzten sie auf, und der Detective verschwand wieder.
Auf der anderen Seite des Schirms war das Weinen einer Frau zu hören.
Die Männerstimme benutzte die gleichen förmlichen Worte wie zu Beginn.
»Erkennen Sie unter diesen Personen jemanden wieder, der sich an Ihnen vergangen oder in Ihrem Beisein eine sittenwidrige Tat verübt hat? Falls ja, nennen Sie die Nummer, und nur die Nummer.«
»Nummer vier«, sagte sie mit einem Schluchzer.
Steve drehte sich um und blickte auf die Wand hinter sich.
Er war die Nummer vier.
»Nein!« rief er. »Das kann nicht sein! Ich war es nicht!«
Die Männerstimme fragte: »Nummer vier, haben Sie das gehört?«
»Natürlich habe ich’s gehört! Aber ich habe es nicht getan!«
Die anderen Männer aus der Reihe verließen bereits die Bühne.
»Um Gottes willen!« Steve starrte auf den undurchsichtigen Glasschirm, die Arme in einer flehenden Geste weit ausgebreitet. »Wie konnten Sie mich heraussuchen? Ich weiß nicht einmal, wie Sie aussehen!«
Die Männerstimme auf der anderen Seite des Schirms erklang wieder: »Sagen Sie bitte nichts, Ma’am. Ich möchte mich herzlich für Ihre Mithilfe bedanken. Hier hinaus, bitte.«
»Hier stimmt was nicht, verflucht noch mal!« brüllte Steve. »Kapiert ihr denn nicht?«
Spike, der Zellenwärter, erschien. »Es ist alles vorbei, Junge«, sagte er. »Gehen wir.«
Steve starrte ihn an. Für einen Moment war er versucht, dem kleinen Mann die Zähne einzuschlagen.
Spike sah den Ausdruck in Steves Augen, und seine Miene wurde hart. »Mach jetzt bloß keinen Ärger. Du kannst nicht von hier abhauen.« Er packte Steves Arm; sein Griff war so fest wie eine Stahlklammer. Jeder Protest, jede Gegenwehr war sinnlos.
Steve hatte das Gefühl, als hätte ihm jemand einen Knüppel in den Rücken geschlagen. Alles war wie aus dem Nichts auf ihn niedergestürzt. Seine Schultern fielen herab, und hilflose Wut breitete sich in seinem Inneren aus.
»Wie ist das passiert?« murmelte er. »Wie kann so was passieren?«
Kapitel 11
Berrington sagte: »›Daddy‹?«
Jeannie hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Eine dümmere Frage als: Wann bist du aus dem Gefängnis gekommen, ›Daddy?‹ hätte sie gar nicht stellen können. Erst Minuten zuvor hatte Berrington die Insassen des Stadtgefängnisses als »Abschaum der Menschheit« bezeichnet.
Jeannie fühlte sich schrecklich beschämt. Es war schon schlimm genug, daß ihr Chef erfuhr, wer ihr Vater war: ein berufsmäßiger Einbrecher. Aber noch schlimmer war, daß Berrington ihm begegnete. Pete Ferramis Gesicht war von einem Sturz verunstaltet; er war seit Tagen nicht rasiert. Seine Kleidung war schmutzig, und er verströmte einen leichten, aber penetranten Geruch. Jeannie war die Situation dermaßen peinlich, daß sie Berrington nicht anzuschauen wagte.
Vor vielen Jahren hatte es eine Zeit gegeben, da Jeannie sich nicht für ihren Vater geschämt hatte. Ganz im Gegenteil: Im Vergleich zu Daddy waren die Väter anderer Mädchen farblos und langweilig gewesen. Damals war Dad ein gutaussehender Mann, stets zu Spaßen aufgelegt, und wenn er in einem neuen Anzug nach Hause kam, hatte er stets die Taschen voller Geld. Dann waren sie ins Kino gegangen, oder die Mädchen bekamen neue Kleider und Eisbecher, und Mom kaufte sich ein schönes Nachthemd und machte Diät. Doch stets ging Daddy wieder fort. Als Jeannie ungefähr neun Jahre alt war, erfuhr sie den Grund dafür.
»Dein Kleid ist häßlich«, hatte ammy gesagt. »Deine Nase ist noch häßlicher«, hatte Jeannie schlagfertig geantwortet, und die anderen Mädchen brachen in Gelächter aus. »Deine Mom kauft Sachen, die wirklich abartig sind.«
»Deine Mom ist fett.«
»Dein Daddy ist im Gefängnis.«
»Ist er nicht.«
»Ist er doch!«
»Ist er nicht!«
»Ich hab’ aber gehört, wie mein Dad es meiner Mommy erzählt hat. Daddy hat die Zeitung gelesen. ›Da steht, daß der alte Pete Ferrami mal wieder im Knast ist«, hat er gesagt.«
»Dann lügt die Zeitung, und dein Dad lügt und du auch«, hatte Jeannie erwidert, doch tief im Inneren hatte sie Tammy geglaubt. Es erklärte alles: den plötzlichen Reichtum, das gleichermaßen plötzliche,
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