Der Dschunken Doktor
vorbeiging.
Es nickte. Es nickte sogar dreimal, um die Bedeutung zu unterstreichen.
Er ist es! Es ist die Stimme. Die Stimme, die den lächelnden Tod befahl. Die Stimme, hinter der das Grauen stand. Die anderen Stimmen gehörten denen, die befohlen wurden … Diese Stimme hier war der Herrscher!
Die Stimme, die dem Mörder von Mei-tien gehörte.
Dr. Mei verkrampfte die Hände ineinander. Liang verließ das Lokal, Madame Yo telefonierte, neue Gäste kamen herein und bekamen das ›Fleischalbum‹ vorgelegt. An der Bar warteten zwei Herren und diskutierten über Baumwolle, als seien sie an der Börse und nicht in einem Bordell.
Mei erhob sich, ging vor die Tür und blickte sich um. Auf Anhieb erkannte er neun junge, kräftige Männer, die herumlungerten und ihn bewachten. Es waren sicherlich noch mehr da als diese neun, er ahnte das, und es beruhigte ihn. Es würde schwierig sein, Herrn Tschao über die Quaimauer in ein Boot zu bringen.
Dr. Mei winkte, als sähe er auf dem Wasser einen bekannten Sampan. Sofort kamen sechs Männer auf ihn zu, die anderen blieben sichernd in der Umgebung. Sie bildeten einen Kreis um ihn, in dem Dr. Mei völlig verschwand. Alle überragten ihn um mehr als zwei Köpfe.
»Es muß schnell gehen«, sagte Dr. Mei heiser. »So schnell wie ein Schwalbenflug!«
»Sie haben eine gute Entdeckung gemacht, ehrwürdiger Herr Mei?« fragte einer der muskelbepackten Wasserchinesen.
»Es ist ein fetter Mensch, der bald aus dem Hurenhaus kommen wird! Man kann ihn nicht übersehen. Alle anderen Gäste sind schlank … er ist außer mir der Dickste! Kommt er also aus dem Haus, muß es sehr schnell gehen! Am besten fragt ihr ihn: ›Sind Sie Herr Tschao?‹ Vielleicht sagt er ja, vielleicht gibt er keine Antwort. Aber in dieser Sekunde des Zögerns müßt ihr handeln. Es muß gelingen … ein zweites Mal gibt es nicht! Und verletzt ihn nicht, ich muß noch lange mit ihm sprechen …«
Dr. Mei kehrte in das Lokal zurück, setzte sich wieder an seinen Tisch und trank weiter. Madame Yo kam erstaunt zu ihm.
»Wo warst du?« fragte sie. »Gehst einfach weg.«
»Ich mußte ein paar Atemzüge Meerluft nehmen. Mir wurde schlecht, Yo …«
»Du säufst zuviel! Mei, eines Tages wirst du umfallen und tot sein.«
»Wir alle sind nicht unsterblich, Yo.« Er streichelte ihre Hand und nickte ihr zu. »Ich verspreche dir, bald weniger zu trinken. Du wirst sehen, ich komme dort herein, setze mich an meinen Tisch und rufe: ›Ihr Süßen, eine Flasche Wasser!‹«
»Wie gut du Märchen erzählen kannst!« sagte Madame Yo. »Nur glaubt sie dir keiner.«
Tsching Hao-jih schien heute in bester Form zu sein. Über zwei Stunden hatte Lora zu tun, bis er zufrieden war, sich baden ließ und wieder in seinen Anzug stieg. Er besprühte sich mit einem süßlichen Parfüm, kämmte seine glatten Haare, tätschelte Lora noch einmal die Brust und kraulte sie zwischen den Beinen, legte tausend Dollar auf die Glasplatte des Tisches und zog vom linken kleinen Finger einen Ring mit einem schönen Smaragd ab. Er klemmte ihn zwischen Loras Brüste und grinste sie fröhlich an.
»Trag ihn mit Stolz!« sagte er dann. »Du warst hervorragend, Paradiesvogel! Ich komme am Freitag wieder und will, daß kein anderer Mann vor mir war! Dieser Tag gehört mir … am Wochenende wird Großes geschehen!«
Er ging hinaus, ließ die Tür offen und stieg die Treppe hinunter. Trotz seines Fettes war er beweglich und schnell, und keiner sah ihm die zwei Stunden mit Lora an. Ohne ihn zu beachten, ging er an Dr. Mei vorbei. Das süßliche Parfüm zog wie eine Wolke mit.
Dr. Mei senkte den Kopf, dachte an seine Tochter Mei-tien und faltete die Hände.
Laß es gelingen, betete er, und dann laß mich kein Herz mehr haben, keine Seele, kein Hirn, kein Gehör, kein Gefühl … laß mich nichts sein als Vergeltung.
Gott im Himmel, wieviel Namen du auch hast … blick weg! Sieh nicht hernieder auf Mei Ta-kung …
Tsching Hao-jih verließ das vornehme Bordell wie immer ohne einen Mann seiner Leibwache, ohne jeden Schutz. Zwei Ecken weiter wartete sein gepanzerter Cadillac, saß neben dem Chauffeur sein liebster Leibwächter, ein Scharfschütze aus der Mongolei, ein Mann mit Glatze und einem angedeuteten traditionellen Zopf. Das Auto war eine Festung. Neben den Scheinwerfern konnte auf Knopfdruck ein Maschinengewehr aus einer Klappe fahren und automatisch streuend schießen. Auch die Rückenlehne war aufklappbar und ein Schießstand mit aufklappbaren
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