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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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phantasievollen Gürteln, Boleros oder Mützen auf. Auch das war ein Nebenverdienst von Madame Yo … keiner der Touristen, die diese Perlenstickerei in dem riesigen Shopping Center ›Ocean Terminal‹ von Kowloon kauften, ahnte, daß fleißige Hurenhände diese Kunstwerke während der Wartezeiten geschaffen hatten.
    »Eine Orchidee im Knopfloch?« fragte Madame Yo. »Was ist los?«
    »Ein Festtag, meine Liebe! Geburtstag!«
    »Das wäre ein Grund zum Feiern.«
    »Aber hier am Tisch – nicht oben im Bett! Ich will meine Wiedergeburt nicht mit einem Herzschlag beenden.«
    »Was heißt Wiedergeburt?«
    »Es kann sein, meine Liebe, daß ich heute ein neues Leben beginne. Noch ist es nicht sicher, aber ich ahne, daß ich mich umdrehen werde und ein neuer Mensch bin!«
    »Soll das ein Rätsel sein? Himmel, du willst das Trinken aufgeben?«
    »Vielleicht.«
    »Und kommst dann nicht mehr zu mir?«
    »Zu dir werde ich immer kommen, solange ich gehen kann. Schon aus Dankbarkeit.«
    »Dankbarkeit? Wofür?« Madame Yo starrte ihn an, als spräche er schon im Delirium.
    »Du hast einen großen Anteil an dem neuen Leben!« sagte Dr. Mei ernst. »Aber du wirst es nie begreifen.«
    »Bestimmt nicht.«
    »Sei darüber glücklich, Yo.« Er trank wieder und legte seine dicke Hand auf Yos verwelkte Finger. »Da kam vorhin ein Gast herein, bei dessen Anblick ich mir sagte: Brüderchen, schäm dich nicht! Du bist nicht der einzige Fettwanst in dieser Stadt. Es gibt noch Dickere! Sieh dir diesen Herrn Tschao an …«
    »Wer ist Tschao?« fragte Madame Yo verblüfft. »Ich kenne keinen.«
    »Das Monstrum, das vor mir hereinkam und, wie ich sehe, sofort nach oben gegangen ist. Das arme Mädchen!«
    »Für Lora eine gute Aufgabe.« Madame Yo fächelte sich Luft in das vor Schminke starre Gesicht. »Aber er heißt nicht Tschao.«
    »Ich könnte wetten …«
    »Es ist Tsching Hao-jih.«
    »Nein!« Das fast lähmende Erstaunen Dr. Meis war echt. Das kann nicht sein, dachte er. Hier muß Liang sich irren! Aber andererseits: Kam er nicht direkt von den ›Sieben Glückseligkeiten‹, wo er als Herr Tschao Befehle erteilt hatte? Auch dem Mann, den Mei vor zwölf Jahren kennengelernt hatte?
    »Der große Tsching Hao-jih …« Meis Stimme war plötzlich rostig.
    »Vergiß es. Meine Gäste haben sonst keine Namen.«
    »Tsching ist doch einer der reichsten Männer Hongkongs …«
    »Man sagt es.«
    »Jeder kennt ihn!«
    »Seinen Namen.« Madame Yo griff nach Meis Glas und nahm einen tiefen Schluck. »Vergiß ihn …«
    »Tsching Hao-jih kontrolliert den gesamten Seidenblumen-Export und den Handel mit Feuerwerkskörpern!«
    »Und liegt jetzt oben in meinem Haus und läßt sich von Lora bearbeiten. Ist das nicht eine Ehre für mich, Mei? Niemand in der Stadt hat solch eine exklusive Kundschaft. Niemand hat aber auch so schöne Mädchen wie ich. Das mußt du zugeben.«
    »Das bestreitet keiner!« Dr. Mei starrte zu der Treppe, die nach oben führte. Der große Tsching! Ein Mann, der sein Geld nicht mehr zählen kann. Tsching ist Tschao … wer aber ist Herr Tschao auf dieser Welt?
    Liang Tschangmao trippelte an ihnen vorbei. Sie hatte einen Korb mit Rosen umgehängt und ging, als sehe sie alles, mit rätselhafter Sicherheit durch das Lokal und die Treppe hinauf. Madame Yo, die ihr nachblickte, wurde unruhig. Es ging um zehn Prozent.
    »Tsching wird ihr wieder den ganzen Korb abkaufen«, sagte sie. »Er ist großzügig. Ich warte immer darauf, daß er auch Liang mitkauft. Sich von einem blinden Mädchen lieben zu lassen, das hat er noch nicht verlangt. Aber einmal wird er es fordern …«
    »Und dann?«
    »Liang ist ein armes Mädchen«, sagte Madame Yo kalt. »Für tausend Dollar hat man schon anderes verkauft.«
    »Ich würde ihn hinterher umbringen!«
    »Einen Tsching Hao-jih bringt man nicht um. Sein Reichtum ist sein Panzer. Solange er lebt, zahlt er. Was nützt ein toter Millionär? Da sieh, die zweite Flasche Champagner nach oben zu ihm. Den besten französischen. Er kann bis zu vier Flaschen trinken … ist das kein Geschäft? Ich wünschte, ich hätte mehr Kunden wie Tsching.«
    Dr. Mei nickte, grübelte über Herrn Tschao nach und erkannte plötzlich Zusammenhänge, die ihn frieren ließen. Er goß ein ganzes Glas Whisky in sich hinein, sah, wie Madame Yo die blinde Liang an der Treppe abfing, zehn Prozent kassierte – sie hatte tatsächlich den ganzen Korb Rosen verkauft – und starrte das Mädchen an, das langsam an seinem Tisch

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