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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zerschlissene Papiergirlanden hingen, mit Staub gepudert, von Spinnweben durchsetzt. »Ich schlage vor, alle durch einen neuen Fall zu verunsichern«, sagte er. »Ich übernehme die Garantie, daß dieses Hirn dann ausgetauscht wird gegen ein gesundes. Vielleicht bekommen wir die Möglichkeit, durch diesen neuen Fall etwas über den Stand ihrer Ermittlungen zu erfahren. Vor allem werden sie unsicher werden und in einen Erfolgszwang getrieben. Da öffnen sich oft viele unbekannte Türen.«
    »Eine Idee, der man nachdenken sollte.« Herrn Tschaos Stimme klang weniger hart. Einige Gesichter entspannten sich. »Sie entspricht den Gedanken, mit denen ich mich beschäftige. Bisher geschah alles noch im Stadium des Experimentes, wir haben selbst viele Fragen stellen müssen und haben noch keine endgültigen Antworten bekommen. Das große Ziel liegt noch weit, auch wenn wir es schon deutlich sehen. Das neue Experiment muß unseren Gegnern zeigen, daß wir uns mit ihnen im Krieg befinden. Wir haben die besseren Stellungen: Man kennt uns nicht! Aber wir kennen und sehen unseren Gegner. Hua …«
    »Herr Tschao?« rief sofort der mit Hua Angeredete.
    »Sie haben Material?«
    »Was Sie wünschen, Herr Tschao.«
    »Stellen Sie vor.«
    »Drei Mädchen und vier Männer, die sich besonders gut eignen. Sie kommen aus den New Territories und sind Waisen. Niemand vermißt sie. Ein Mädchen stammt aus Macao und übernachtete auf der Straße, als wir sie aufgriffen. Sie sind vorbereitet …«
    Dieses letzte Wort blieb im Raum wie eine Giftwolke. Vorbereitet – das war bereits die erste Stufe zur Hölle. Herr Tschao schien sehr zufrieden zu sein.
    »Wir werden zwei Aktionen unternehmen«, sagte er milde. »Eine amtliche und eine private. Auf die Minute genau zur gleichen Zeit. In Kowloon und in Victoria.«
    »Das könnte uns aus den Fingern gleiten!« Der Medizinexperte blickte um sich, aber außer den alten Girlanden sah er natürlich nichts. Nicht einmal die Lautsprecher, aus denen Herrn Tschaos Stimme klang.
    »Erklären Sie das!«
    »Ich kann nicht zwei Gehirne austauschen lassen.«
    »Das verlangt auch keiner von Ihnen!« Die Stimme wurde wieder streng. »Bei der amtlichen Aktion wird es keine Rückstände geben! Wer zweifelt, ist ein angenagtes Kettenglied.«
    »Unser vollstes Vertrauen ist bei Ihnen, Herr Tschao.« Der Medizinexperte breitete die Hände aus. »Ich wollte nur die medizinische Seite erwähnen, für die ich verantwortlich bin.«
    »Verantwortlich bin ich allein!« sagte Herr Tschao hart. »Ich allein sehe auch nur. Sie sind die Hände, die mein Geist befiehlt. Sie können gehen. Hua, Sie bleiben noch hier. Der Glanz des nächtlichen Himmels erfreue Sie alle …«
    So schnell wie möglich verließen die Männer das bedrückende Zimmer, beachteten den grinsenden und sich dauernd verbeugenden Wirt der Kneipe mit keinem Blick und stiegen in ihre Wagen, die sie in den Nebenstraßen geparkt hatten. Hua, der allein zurückblieb, unterdrückte ein ängstliches Frieren, klebte auf seinem Stuhl und faltete die zitternden Hände.
    Dann war Herrn Tschaos Stimme wieder um ihn und forderte ihn auf, mehr über ein Mädchen und einen jungen Mann zu berichten, die auserwählt werden sollten, die Macht eines Unbekannten zu demonstrieren.
    Die Dschunke, auf der Dr. Mei Ta-kung hauste, war schon von außen das Erbärmlichste, was Dr. Merker bisher in der Schwimmenden Stadt gesehen hatte. Farblos, verwittert, mit Tang und Muscheln besetzt, mit zusammengerollten, zerrissenen Segeln, die nie mehr in den Wind gebracht werden konnten, ohne ein Licht an Deck oder den faulenden Aufbauten dümpelte das Schiff, eingekeilt zwischen anderen Wohndschunken, an einer schmalen Gasse, durch die ein normaler Sampan nicht mehr hindurchkam.
    Yang und Dr. Merker stiegen in ein schmales, flaches Boot um. Es wurde von einem höchstens zwölf Jahre alten Mädchen gerudert, das Dr. Merker aus großen, glänzenden Augen anstarrte. Um sie herum lag stinkende Dunkelheit.
    »Glauben Sie nicht, wir wären hier allein«, sagte Yang und beugte sich zu Dr. Merker vor. »Uns beobachten Hunderte von Augen. Seit dem Tod von Mei-tien bilden die Boat People eine Mauer um Dr. Mei. Sie schützen und bewachen ihn, und sie sind glücklich, wenn er nachts zu grölen anfängt und betrunken auf seine Kesselpauken einschlägt …«
    »Was tut er?« fragte Merker ungläubig.
    »Er hat sich, schon vor zwanzig Jahren, in Hongkong zwei Kesselpauken gekauft und auf die Dschunke bringen

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