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Der Dschunken Doktor

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Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gastronomie. Noch vor einigen Jahren war eine der größten Delikatessen in den besten chinesischen Restaurants das Affenhirn. So etwas Ähnliches haben wir auch. Wir essen Kalbshirn, gebraten, werden Sie jetzt antworten wollen. Da ist schon der Unterschied. Bis es von der Regierung verboten wurde, aß der chinesische Feinschmecker das Affenhirn roh – und lebend!
    Ein Affe wird erst mit schwerem, süßem Wein betrunken gemacht, dann spannt man ihn in ein speziell für dieses Essen angefertigten Tisch, und zwar so, daß nur die obere Schädelhälfte über die Tischplatte hinausragt. Mit einem langen, scharfen Messer wird mit einem gekonnten Hieb die Schädeldecke abgeschlagen und aufgeklappt. Mit einem Löffel holt sich dann jeder Gast seine Delikatesse aus der warmen, pulsierenden Hirnmasse … bis der Affenschädel leergeräumt ist!«
    Dr. Mei lächelte schief. »Kotzen Sie nicht, Fritz! Ich habe selbst dieser Prozedur mehrmals beigewohnt, und ich kann Ihnen in Kowloon einige renommierte Restaurants nennen, wo man vor Jahren noch so fulminant essen konnte. Das ist die Ihnen immer fremd bleibende Welt … was also, frage ich, bedeutet der Tod?! In Hongkong der Mordkommission anzugehören ist fast schon pervers!«
    »Wenn ich das höre, bin ich hier völlig fehl am Platze!« sagte Dr. Merker heiser vor Entsetzen. »Ich habe das alles nicht gewußt.«
    »Natürlich nicht. Sie haben immer nur das Touristen- und Postkarten-Hongkong gesehen! Hongkong besteht nicht nur aus Luxushotels und blitzenden Einkaufszentren, Musikfähren und märchenhaften schwimmenden Restaurants, Wolkenkratzern, in denen Milliarden umgesetzt werden, und Banken, die ebenso viele Milliarden Schwarzgeld verwalten. Hongkong ist ein Trainingsplatz, auf dem man sich auf die Hölle vorbereiten kann.« Dr. Mei sah Dr. Merker mit schief geneigtem Kopf an. »Nun werden Sie alles daransetzen, nach Hamburg zurückzukehren und vor dieser Stadt zu flüchten …«
    »Nein! Ich bleibe!« sagte Merker hart.
    »Wegen Yang …!«
    »Auch! Ich werde auf der Sonnenseite Hongkongs leben.«
    »Zu spät! Die Schattenseite hat Sie bereits eingefangen. Ohne Kampf werden Sie hier nicht mehr leben können. Das werden Sie schnell erkennen: Man wird Ihnen den Kampf aufzwingen! Es sei denn, Sie verlassen Hongkong.«
    »Flüchten? Nie!«
    »Dann stellen Sie sich mit dem Rücken an die Wand und kämpfen Sie.« Dr. Mei senkte den Kopf. »Wenn unsere unbekannten Gegner erfahren, daß Yang Sie liebt, wird Yang ihr nächstes Ziel sein!«
    »Sie muß sofort aus Hongkong weg!«
    »Das wird Ihnen nie gelingen! Eher saufen Sie das Meer leer.« Dr. Mei hob die fetten Schultern. »Fritz, Sie stecken mitten drin. Sie können nicht mehr weg. Bleiben Sie heute nacht bei mir, und sehen Sie sich morgen früh meine Patienten an. Es gibt hier eine Kammer auf der Dschunke, die noch ein gutes Bett hat. Es gehört Ihnen. Nehmen Sie Yang mit, und lieben Sie sie. Sie wartet darauf, und Sie werden unser Bruder werden. Noch einmal: Heute bin ich wie betäubt.«
    In der Nacht, irgendwann zwischen langen Küssen und zitterndem Sichfinden, sagte Yang: »Morgen nehme ich das Bild hinter der Wand weg … du kannst es zerreißen …«
    Es war mehr als eine Liebeserklärung. Sie gab ihm ihr ganzes Leben …

7
    Dr. Mei weckte Merker am frühen Morgen. Er trug einen sackähnlichen braunen Anzug, hatte wäßrige, rote Augen und stank entsetzlich nach Fusel.
    »Es blutet mein Herz«, sagte er, als er Merker an der Seite Yangs wachgerüttelt hatte. Umschlungen schliefen sie fest und in seliger Erschöpfung. Merker schlug mühsam die Augen auf, sah zunächst den eng an ihn gepreßten nackten Körper Yangs und dann erst das runde Gesicht von Dr. Mei.
    »Sie müssen raus, Fritz! Kommen Sie an Deck. Die ersten Patienten warten schon. Ich weiß, es ist grausam, Sie jetzt von diesem himmlischen Körper loszureißen, aber es muß sein …« Er zögerte einen Augenblick, hob dann wie in der Schule den rechten Zeigefinger und fügte mit einem breiten Grinsen hinzu: »Bitte festzustellen: Ich bin nicht besoffen! Seit Jahren der erste Morgen mit nebelfreiem Hirn!«
    Er drehte sich weg, verließ das Zimmer und tappte hinüber zu seinem ›Ordinationsraum‹. Dort wischte er die Untersuchungsliege von Schimmel und Moos frei, zog die verrotteten Vorhänge von den kleinen Fenstern, fegte mit zwei Armbewegungen den Schreibtisch leer und die Papierhaufen in die Ecke, warf die Karteikästen hinterher und setzte sich dann hinter

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