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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich mit Dr. Baldwin …« Das klang jetzt amtlich und kühl. Oberschwester Mabel wölbte die Unterlippe, als wolle sie unladyhaft wie ein Lama in den Hörer spucken, drückte auf einen Knopf und meldete dem teetrinkenden Chef: »Da ist die Mordkommission am Apparat, Dr. Baldwin. Ein Kommissar Ting. Ein wenig hirngeschädigt.« Nach dieser Einleitung stellte sie durch.
    »Hier Baldwin!« sagte der Chefchirurg und trank seine Teetasse leer. Damit war die Tea-time beendet und Dr. Baldwin wieder voll im Einsatz. »Was verschafft mir die Ehre der Mordkommission? Ich gestehe, wir hatten gestern drei Operationstote, aber ich bestreite energisch, sie mit dem Skalpell getötet zu haben …«
    »Darüber könnte man diskutieren, Doktor.« Ting Tse-tung lachte kurz. »Chirurgen haben unter den Totschlägern eine Sonderstellung.«
    »Das beruhigt mich.« Auch Dr. Baldwin lachte. Er gehörte nicht zu jenen Chefärzten, die sofort beleidigt sind, wenn man ihren Beruf glossierte. Es gibt da Professoren, die bedauern, daß Duelle gesetzlich verboten sind …
    »Was wollten Sie von Dr. Melkel?«
    »Von wem?«
    »Melkel …«
    »Merker.«
    »Sag' ich doch.«
    »Ist da etwas schiefgegangen?«
    »Wieso?«
    »Da ist mir gestern eine merkwürdige Sache passiert, Herr Kommissar. Merker ruft an, avisiert mir eine akute Galle mit Heus, ich lasse den OP richten, das Team steht bereit … aber keine Galle wird eingeliefert! Bis sieben Uhr abends haben wir gewartet, dann habe ich die Aktion abgeblasen. Von Merker kein Anruf, keine Regung, kein Patient. Ich finde das merkwürdig. Sie nicht?«
    »War der Anrufer wirklich Doktol Melkel?«
    »Unverkennbar! Und eine klare Diagnose. Klang wie eine Notoperation. Doch nichts kam herein.«
    »Von wo rief Doktol Melkel an?«
    »Das weiß ich nicht. Er sprach davon, er sei bei einem Freund. Ja, und das erstaunte mich: Er wollte alle Kosten für die Operation übernehmen. Scheint ein armer Freund zu sein. Unverständlich. Bis heute vormittag ist die Galle noch nicht bei mir erschienen.«
    Ting vermied es, seine Gedanken laut zu äußern. Etwas Unvorhergesehenes, etwas geradezu Dramatisches mußte die Liebesnacht von Dr. Merker grundlegend verändert haben. Die akute Galle – Mediziner haben eine haarsträubende Art, Menschen nach Krankheiten zu benennen und sie damit anonym zu machen – interessierte Ting nicht so sehr wie die Frage, wo sich Dr. Merker aufhielt. Wo auch immer er war, es war kein normaler Zustand. Das einzige, was Ting beruhigte, war die Annahme, daß Yang bei ihm war.
    »Es ist tatsächlich merkwürdig!« sagte Ting verhalten. »Ich suche Doktol Melkel auch …«
    »Mein Gott! Wegen Mord?!«
    »Als Sachverständigen in einem Mordfall.«
    »Ich wußte gar nicht, daß sich Kollege Merker polizeilich engagiert.«
    »Es handelt sich um Viren oder Bakterien. So genau kann ich das nicht auseinanderhalten. Sie haben keine Ahnung, wo er ist?«
    »Keine Ahnung. In der Frage bin ich jungfräulich.«
    »Danke, Doktol!« Ting legte auf. Er hatte jetzt keinen Nerv, ärztliche Witze zu ertragen. Dr. Merker war verschwunden. Und mit ihm Yang. Und er hatte eine akute Galle einliefern wollen … Wo hielt sich Merker auf?
    Ting Tse-tung versuchte das Letzte. Er fuhr mit einem kleinen Polizeiboot in die Schwimmende Stadt von Yau Ma Tei. Aber, wie er geahnt hatte, er kam nicht weiter. Niemand kannte Yang, niemand erst recht nicht Dr. Merker. Überall Achselzucken … und überall Lüge, wie Ting mit Bitterkeit feststellte. Er fuhr sogar durch die engen Gassen der Dschunkenstadt und gab nach drei Stunden auf.
    Als Chinese wußte er genau, daß in Yau Ma Tei kein Suchender etwas findet, wenn er es nicht finden soll.
    Dr. Mei arbeitete unter Deck gerade an einem Geschwür auf dem Rücken einer jungen Frau, als Dr. Merker von seiner Fahrt zum Polizeiboot zurückkam. Yang assistierte. Sie hielt die Tupfer und eine alte, abgeschlagene Emailleschale unter das Geschwür, reichte Dr. Mei Pinzetten an und sprach begütigend auf die junge Frau ein, die ihr Gesicht vor Schmerzen schrecklich verzog. Kein Laut aber kam über ihre zusammengepreßten Lippen.
    Dr. Mei blickte hoch und blinzelte Merker zu. Daß neben ihm auf einem Tisch eine bereits halbgeleerte Whiskyflasche stand, erschien ganz natürlich.
    »Es macht wieder Freude, Fritz!« rief Mei und tupfte an dem Geschwür herum. »Gratulieren Sie mir: Ich habe sogar einen beginnenden Bechterew diagnostiziert. Das Gefühl in den Fingern ist natürlich für immer hin,

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