Der Dude und sein Zen Meister: Das Leben, die Liebe und wie man immer locker bleibt (German Edition)
bei der Probe, und wenn dann wirklich gefilmt wird, ist man verbraucht und reproduziert nur sein früheres Spiel. Ich kenne all die Bedenken. Wenn die Kamera läuft, will ich, dass sie mich dabei einfängt, wie ich den Charakter gerade entdecke, und nicht, wie ich wiederkäue, was ich Tage vorher entdeckt oder begriffen habe. Ich bewundere und bemühe mich um ein Spiel, das sich scheinbar dem Publikum nicht verpflichtet fühlt; das Publikum ist nur eine Fliege an der Wand. Im Leben sind wir spontan, haben einfach Orgasmen, nehmen’s, wie es kommt.
Auch Sidney wollte Frische, doch seine Art, sie zu bekommen, war eine andere. Ich glaube, irgendwie übte er den Orgasmus, übte das Nichtüben. In den Proben wollte er erreichen, dass man locker und vertraut mit der Rolle wurde und möglichst viel von sich einbrachte, ohne sich oder irgendetwas zurückzuhalten. Dabei entdeckte man jedes Mal kleine Dinge, die sich aufs nächste Mal auswirkten. Man musste es wieder und wieder und wieder spielen und dennoch immer wieder zur Leere zurückkehren, dorthin, wo noch nichts klar ist. Das ist der Haken dabei. Wenn dir die Rückkehr zur Leere nicht gelingt, plapperst du nur Worte, statt deine Arbeit zu tun, dann wiederholst du nur, statt deine Figur jedes Mal neu zu entdecken.
Bei Sidney übten wir, indem wir immer wieder von vorn anfingen. Zweimal täglich gingen wir den ganzen Film durch, sodass wir die ganze Geschichte in- und auswendig kannten. Man muss ja bedenken, wenn man einen Film dann tatsächlich dreht, dreht man ihn nicht der Reihe nach, sodass man nicht wirklich in die Geschichte eintaucht, obwohl das das Wichtigste ist. Tatsächlich besteht bei dieser Art des Drehens die Gefahr, dass einem jede einzelne Szene so wichtig erscheint, dass man zu viel Betonung darauf legt. Und allzu leicht vergisst man dabei, dass eine Geschichte erzählt wird.
Wenn wir den ganzen Film durchgingen, hielten wir uns nicht bei einzelnen Szenen auf, wir spielten ihn nur einmal runter. Es war, als würde man sich in Frische und Wachheit üben. Sidney meinte immer, dies sei die einzig wahre Methode, die Sache anzugehen, und dass wir, solange wir voll engagiert dabei seien, jedes Mal Neues entdecken würden.
An dem Tag, an dem wir dann wirklich filmten, war es ein Klacks. Sobald wir alle in unseren Kostümen steckten und am Set waren, brauchte es für jede Szene lediglich ein, zwei Aufnahmen; Sidney sammelte dann immer die Akkus ein, meinte »Auf geht’s, Bubele « und zog weiter zur nächsten Einstellung. Wir legten ein ziemliches Tempo vor, und weißt du was? Es fühlte sich noch frischer an als bei den Proben, weil wir in unseren Kostümen und am Drehort waren.
Bei den Dreharbeiten zu Tucker (1988) machte Francis Coppola mit Martin Landau und mir eine tolle Übung. In dem Film haben wir beide eine starke Beziehung, sodass Coppola etwas sagte wie: »Ich will, dass ihr zwei was improvisiert. Und wir machen das nur ein einziges Mal, aber sobald ihr es gemacht habt, denkt nicht mehr dran, denn es wird Teil eurer persönlichen Geschichte, ist in euren Hirnen gespeichert. Ich möchte, dass ihr den Tag eurer ersten Begegnung improvisiert. Ihr trefft euch in einem Zug, und hier sind eure Plätze.« Er zog zwei Stühle heran, die er nebeneinanderstellte. »Also, Marty, setz dich mal dahin. Und Jeff, du kommst hierher und setzt dich neben ihn. Okay, Jungs – und Action!«
Dieses Spiel aus dem Stegreif prägte den ganzen Film. Du investierst, stürzt dich mit Haut und Haaren hinein, und es wird Teil von dir und tut seine Wirkung.
BERNIE: Leute kommen oft nicht weiter, weil sie Angst haben, etwas zu tun; im schlimmsten Fall kaprizieren wir uns derart auf ein Endresultat, dass wir völlig blockiert sind. Wir brauchen Hilfe, nur um weiterzumachen, doch das Leben wartet nicht.
JEFF: Und da hilft es nicht, sich zu sagen: »Ich darf keine Erwartungen haben«, weil ja auch das eine Erwartung ist. Sodass man in einen paradoxen Strudel hineingeraten kann.
BERNIE: Es gibt ein kleines Liedchen, das die Sache irgendwie ganz hübsch illustriert.
JEFF: Schieß los.
BERNIE:
Row, row, row your boat,
gently down the stream.
Merrily, merrily, merrily, merrily.
Life is but a dream.
Rudere, rudere, rudere dein Boot,
sanft die Strömung hinab,
heiter, heiter, heiter, heiter.
Das Leben ist nur ein Traum.
Stell dir vor, du ruderst flussabwärts und versuchst gleichzeitig dahinterzukommen, wie man so was eigentlich macht. Rudere ich
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