Der Dude und sein Zen Meister: Das Leben, die Liebe und wie man immer locker bleibt (German Edition)
noch ein Kind, und wir übten verschiedene grundlegende Schauspieltechniken miteinander. Wenn wir eine gemeinsame Szene hatten, sagte er zum Beispiel immer: »Warte nicht einfach bloß, bis ich mit dem Reden aufhöre, ehe du antwortest. Hör zu, was ich sage, sodass sich das auf deine Erwiderung auswirken kann. Wenn ich also etwas auf eine bestimmte Art sage, dann reagierst du auf die eine Art, und wenn ich es anders sage, dann reagierst du auch anders.« Oder er gab mir die folgende Anweisung: »Lass es so wirken, als würde es zum ersten Mal passieren.« Oder gleich danach: »Und nun geh raus, komm wieder zurück und mach es noch mal ganz anders. Nimm eine kleine Korrektur vor.«
Wenn man meditiert, nimmt man ebenfalls häufig kleine Anpassungen vor, um sich in den Raum des einfachen Seins zurückzuversetzen.
BERNIE: Aber die meisten von uns sind ja nicht nur einfach, sondern wir kämpfen und rudern, um irgendwo hinzukommen, an irgendein anderes Ufer, ein Ziel, einen idealen Ort, den wir erreichen wollen. Wo also wollen wir hin? Worin besteht das andere Ufer?
Im Zen sagen wir, dass das andere Ufer schon hier , vor unseren Füßen liegt. Was immer wir da suchen, den Sinn des Lebens, Glück, Frieden – es ist schon da. Sodass die Frage nicht mehr lauten muss: Wie komme ich von hier nach dort? Sondern vielmehr: Wie komme ich von hier nach hier? Wie erlebe ich es, wenn ich nirgendwohin muss, um etwas zu bekommen, weil es bereits hier und gegenwärtig ist? Das war’s schon; das ist schon das andere Ufer. Im Buddhismus nennen wir es manchmal das Reine Land.
Konkret ist das schwer zu begreifen, dass es genau da sein soll, wo man gerade steht. Man hört es zwar immer wieder, aber irgendein Teil von uns glaubt es einfach nicht. Stattdessen zappeln wir uns ab, um hinüberzukommen. Und sobald wir drüben sind, überlegen wir: Oh nein, das kann es doch nicht sein, folglich muss ich jetzt da hinüber . Und schon geht’s wieder los und wir versuchen, das nächste Ufer zu erreichen. Und sobald wir dort sind, beginnt das Ganze von vorn. Zunächst denke ich noch: Oh, endlich hab ich’s geschafft; jetzt bin ich glücklich . Doch nach einer Weile sage ich: Nein, das ist es nicht, ich muss da rüber .
JEFF: Die Leute fragen mich oft nach meinem anderen Ufer, beziehungsweise, welches andere Ufer ich erreichen will. Was will ich sein? Was will ich tun? Will ich ein Star sein?
Für mich hat sich das andere Ufer im Grunde nicht verändert. Irgendwie hat es mich im Alter von sechs Monaten in den Schauspielerberuf verschlagen. Mein Vater besuchte seinen Freund John Cromwell. John führte damals gerade Regie bei Auf Bewährung freigelassen (1951), und er brauchte ein Baby, sodass mein Vater meinte: »Hier, nimm Jeff.« Eigentlich wollte ich nie Schauspieler werden. Ja, ich hab mich sogar dagegen gewehrt, weil ich es als Vetternwirtschaft empfand, dass mir mein Vater irgendwelche Türen öffnete. Ich wollte wegen meiner eigenen Talente geschätzt werden und nicht wegen meines Vaters. Ich wollte mein Ding durchziehen, aber ich hatte keine Ahnung, was es war, weil ich mich für so viele verschiedene Dinge interessierte. Man könnte sagen, dass ich gegen die Richtung rebellierte, in die der Fluss damals für mich floss.
Gleichzeitig aber würde ich sagen: Das erstrebte andere Ufer war und blieb für mich das Glück. Und ich kam zur Erkenntnis, dass das Glück genau hier, direkt vor meinen Füßen liegt. Robert Johnson schreibt, das Wort happiness (Glück) komme von to happen (geschehen). Unser Glück sei das, was geschehe. Was sich deutlich von der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung unterscheidet, die ja festhält, dass jeder Mensch das Recht hat, nach Glück zu streben. Was auch heißt, dass wir, sofern wir keins haben, das Recht haben, ihm nachzujagen. Aber Johnson sagt auch, dass wir es verlieren, sobald wir das tun. Was meinst du dazu, Bern?
BERNIE: Das ist eine ganz knifflige Frage. Glücklich möchte ja schließlich jeder sein. Alle wollen irgendwo ankommen, wo sie glücklich, erleuchtet und zufrieden sind. Denn an solche Dinge denken die meisten, wenn sie anderes Ufer hören. Sie forschen in Büchern, gehen zu Vorträgen oder zu irgendwelchen Gurus, bilden sich ein, es müsse jemanden geben, der ihnen hilft, dieses andere Ufer, diesen anderen Ort zu erreichen. Es ist wie bei Dorothy im Zauberer von Oz, die nach Hause will. Unter Zuhause stellen sich die Leute einen Ort vor, an dem sie sich wohlfühlen und
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