Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
Stadt auf.
»Wir warten ab, bis sich die Revolte in den Westen verlagert hat. Wir können es uns nicht leisten, unsere Waren zu verlieren, weil ein paar hitzköpfige Schreiberlinge sich nicht unterordnen wollen. Aber wie ich gehört habe, sollen sie sich recht wacker schlagen.«
Rough stellte sich in den Steigbügeln auf und warf einen abschätzenden Blick auf Zargenfels.
Der Händler begnügte sich derweilen damit, Milo nicht weniger kritisch zu betrachten. Nach einem Moment begann er, hämisch zu grinsen und mit dem Kopf zu nicken, als wenn ihm eine der großen Wahrheiten auf einem Silbertablett präsentiert worden wäre.
Milo wusste nicht genau, wie er auf das dreiste Starren des Mannes reagieren sollte, darum versuchte er es mit einer belanglosen Konversation: »Hallo, wie geht’s?«
Der Händler glotzte ihn an, als wenn er erwartet hätte, dass Halblinge nur quieken oder grunzen könnten, aber auf keinen Fall dieselbe Sprache beherrschten wie er.
»Du machst in Tunneln und Kanalisationen, stimmt’s?«, sagte der Händler. »Ich habe von solchen wie euch gehört.«
»Was habt Ihr denn gehört?«, fragte Milo unverhohlen.
»Dass man euch bei Belagerungen einsetzt. Dass es kein Schlupfloch gibt, das ihr nicht findet. Und dass ihr durch Kriechgänge passt, durch die sonst nur Ratten kommen.« In der Stimme des Händlers schwang zugleich Missachtung und Bewunderung mit.
Milo hatte immer noch keine Ahnung, wovon der Mann sprach. Aber eine Antwort wollte er ihm auch nicht schuldig bleiben. »Die, von denen Ihr gehört habt, sind die Schmalfußens«, sagte er, wobei der Name nur ausgedacht war. »Wir sind die Blaubeers und machen in Honigtörtchen und Kürbiskompott.«
Der Händler stutzte einen Moment und wandte sich dann mit grimmigem Gesicht wieder an Rough: »Wenn Ihr wollt, können wir Euch gern unserer Waren einmal zeigen. Vielleicht ist etwas dabei, was Ihr gut gebrauchen könnt.«
»Nein, danke«, knurrte Rough, »wir haben alles, was wir brauchen. Und an Eurer Stelle würde ich nicht darauf warten, dass der Aufstand vorübergeht. Versucht Euer Glück lieber woanders.«
Der Händler lachte.
»Wir setzen nicht auf Glück. Das brauchen nur die Geschäftsuntüchtigen. Nein, nein, wir sind hier schon genauso richtig wie Ihr. Ich will nur meine Waren nicht an die falsche Seite verlieren.«
»Und welche Seite wäre das?«, fragte Rough.
Milo sah, wie sich Roughs Augen verengten und er wie ein Raubvogel auf den Händler herunterblickte, als wäre er ein Hase.
»Die Seite, die kein Geld hat«, lachte der Händler. »Ihr Söldner haltet es schließlich genauso. Im Grunde genommen sind wir uns recht ähnlich. Was nützen wankelmütige Versprechungen, wenn man sich Wohlwollen auch erkaufen kann. Auf Leute wie uns ist eben Verlass – wenn man sich unsere Dienste leisten kann.«
Rough hob erneut den Arm und ballte dabei die Faust. Das Zeichen zum Absitzen. Er schwang sich aus dem Sattel und klopfte dem Händler freundschaftlich auf die Schulter.
»Ich bin Rough«, sagte er, »und das hier sind meine Männer. Vielleicht könnten wir doch das ein oder andere von dem gebrauchen, was Ihr anbietet. Lasst mal sehen, was Ihr in Euren Wagen habt.«
»Mein Name ist Koster«, erwiderte der Händler mit breitem Grinsen und reichte Rough die Hand. »Kommt, seht selbst. Wir haben die besten Schmiedearbeiten, die das Land zu bieten hat. Feiner Stahl aus Lonnas. Nicht dieses wertlose Zeug, das sie in den Schmieden in Zargenfels verarbeiten. Echte Meisterarbeit.«
Rough ließ sich von Koster zu einem der Wagen führen. Auf dem Weg dahin wies er mit einigen Kopfbewegungen seine Männer an, sich unter die Händler zu mischen. Milo hatte er einfach auf dem Pferd sitzen gelassen. Für einen kurzen Moment spielte Milo mit dem Gedanken, schnell davonzureiten, doch als Rough eine geladene und gespannte Armbrust aus einem der Wagen zog, verging ihm die Lust auf einen Ausritt.
»Wirklich ausgezeichnete Handwerksarbeit«, lobte Rough das Angebot des Händlers. »Sind in den anderen Wagen auch überall Waffen?«
»Nein, nur in vieren«, erklärte Koster. »In den anderen Wagen findet ihr alles andere, was das Herz eines Söldners höher schlagen lässt. Dort drüben sind Rüstungen und Schilde. Gleich in dem hier vorn: alles Mögliche – vom guten Rum, über Wundsalbe bis hin zum Nesselkraut, um Fieber zu senken. Wir haben Schleifsteine, Fußstulpen, Verbände, eiserne Rationen und vieles mehr, was man auf dem
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