Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
mit einem ganzen Arm voller Zweige zurückkehrte, hatte sich die Stimmung im Lager gewandelt. Nicht er war mehr das Ziel ihrer Hasstiraden, sondern Uschma. Er hatte nicht mitbekommen, was genau passiert war, weil er sich auf die Brennholzsuche hatte konzentrieren müssen und jedes Mal einen Arm hochgehalten hatte, wenn er sich gebückt hatte, damit die Grünbluter ihn nicht aus den Augen verloren. Uschma war im Streit mit zwei Orks. Die beiden richteten ihre Waffen gegen sie, ein gezacktes Krummschwert und eine Stachelkeule.
»Hüte deine Zunge, Weibchen«, knurrte der eine. »General Schrak ist es nicht gewohnt, dass man so zu ihm spricht.«
»General Schrak, dass ich nicht lache«, schnaubte Uschma. »Ich habe eurem sogenannten General vor langer Zeit zwei kräftige Stammhalter geboren. Damals war er noch ein Streuner, der nahe der Siedlungen der Rotbluter darauf hoffte, krankes Vieh stehlen zu können. Damals wusste er noch nicht einmal, was ein General ist. Ich habe ihm erst von den großen Kriegen erzählt, die diesen Wald und unser Blut fast zerstört hätten. Also sag mir nicht, wie ich mit ihm reden soll.«
Die beiden Orks wirkten etwas verwirrt und schienen darauf zu warten, dass Schrak Stellung bezog. Doch der Trollkrieger hatte Wichtigeres zu tun. Endlich hatte er die störende Kralle, die so krumm gewachsen war, dass sie bei jedem Schritt schmerzhaft in sein Fleisch stach, freigekaut. Mit einem Ruck riss er sie heraus und spuckte sie angeekelt aus.
Unterdessen hatten sich die beiden Orks entschieden, nicht länger zu zögern, und rückten weiter auf Uschma zu und bedrängten sie.
»Dein Geschwätz ist voller Lügen!«, schrie einer und wedelte mit der Stachelkeule vor dem Gesicht der Trollfrau herum.
Diese griff in ihren Rücken, packte einen der verdorrten Wurzelstränge am Eingang ihrer Höhle und zerrte daran.
»Nun ist aber Schluss mit dem Unsinn!«, brüllte da Schrak und donnerte seine Wurzelkeule zu Boden.
Augenblicklich verstummte jedes Gemurmel, und die zwei Streiter ließen ab von Uschma. Schrak schien selbst überrascht, wie schlagartig er die Auseinandersetzung hatte beenden können. Erst als er den ungläubigen Blicken seiner Begleiter folgte, erkannte er die zwei dünnen Ärmchen, die leblos unter seiner Keule hervorlugten. Er hob die riesige Waffe an, doch der kleine grüne Kerl blieb an ihr kleben wie ein matschiges Stück Obst. Schrak drehte die Unterseite der Keule zu sich und warf einen betrübten Blick auf das Resultat seines Wutausbruches.
»Nun seht euch an, zu was ihr mich durch eure Streiterei gebracht habt«, keuchte er. »Ich mochte Watnatz. Er war ein lustiges Kerlchen. Er hat mich immer zum Lachen gebracht. Nun ist er nur noch ein Haufen grüner Schleim.«
»Ich bin noch hier«, meldete sich eine zaghafte Stimme hinter dem Trollkrieger. »Watnatz ist noch hier, ich lebe.«
Verwundert sah sich Schrak um und betrachtete den kleinen Goblin mit den drei selbst geschnitzten Speeren und dem bronzenen Buckelschild als Brustpanzer.
»Du lebst noch. Hadar sei Dank«, sagte Schrak fast ein bisschen wie eine Mutter, die ihr Kind gerettet hatte. »Aber wer klebt dann an meiner Keule?«
»Urunitz, mein jüngerer Bruder«, schniefte Watnatz.
Schrak dachte einen Augenblick nach. Dann besah er sich die Keule mit der klebrigen Masse erneut. Er zuckte die Achseln, pulte die leblosen Überreste ab und schleuderte sie ins Unterholz.
»Trotzdem, vielleicht hätte ich auch Urunitz gern haben können, wenn ich ihn besser gekannt hätte. Ihr geht sofort auseinander, sonst seid ihr die Nächsten, derer ich mich entledige.«
Die Ansprache schien ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Augenblicklich ging jeder seinen Aufgaben nach, auch die, die nichts zu tun hatten.
»Nun zu dir, kleiner Dürrzwerg«, sagte Schrak, obwohl Bonne versuchte hatte, am beschäftigsten von allen zu wirken. »Sag mir, wo eure Siedlung liegt. Dann zeig mir auf der Karte, wo es hier im Wald noch andere Dörfer von Rotblutern gibt.«
Bonne war so erschrocken, dass er wie aus Reflex antwortete: »Hier im Düsterkrallenwald gibt es nur ein einziges Dorf, mein Heimatdorf, Eichenblattstadt.«
»Das ist gut«, schnaubte Schrak.
»Wieso, wenn ich fragen darf?«
»Weil uns ein Krieg gegen die Ahnen bevorsteht. Ich kann keine weiteren Feinde gebrauchen.«
Bonne steckte verlegen die Hände in die Taschen seiner Hose und kickte mit dem Fuß nach einigen Zweigen.
»Von den Bürgern Eichenblattstadts geht keine Gefahr
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