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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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hinters Licht zuführen waren. Und was noch wichtiger schien: Sie waren klein, kleiner als Halblinge.
    Der Gnom arbeitete sich schneller voran, als Milo es ihm zugetraut hätte, und schneller, als er gehofft hatte.
    »Fm bis Fz« hallte es durch die Bibliothek. »Alles da.«
    »Weiter! Du bist zu langsam.«
    Das Licht erhellte den Gang, in dem Milo sich versteckt hielt. Er hörte, wie der Tunnelgnom an den Regalen emporkletterte und Bücher und Schriftrollen herausriss und auf den Boden warf. So rasch er die Unordnung verursacht hatte, so flink räume er sie auch wieder auf.
    Der Gnom schob die Kerze auf der Untertasse mit dem Fuß genau vor das Regal, in dem Milo lag.
    »Ga bis Gq ist vollständig!«, rief er.
    »Schneller, du Abschaum!«, hallte es zurück.
    »Kann ich einen Schluck trinken, großer Bibliothekar?«
    »Nicht bevor du fertig bist und ich gefunden habe, wonach ich suche.«
    »Wonach sucht er denn?«, brabbelte der Gnom halblaut zu sich selbst. »Vielleicht sollte ich ihm helfen, dann geht es bestimmt schneller. Er könnte mir wenigstens sagen, was es ist, dass er so dringend sucht. Aber erstmal muss ich jetzt dieses Ding aus dem Fach finden, dann helfe ich ihm. Wenn ich es finde, bekomme ich bestimmt weder einen Kanten Brot. Oh, was würde ich für einen schönen harten Kanten Brot geben?«
    Das war der Moment, auf den Milo gewartet hatte. Er packte das Paar dünner Beine vor sich und brachte den Gnom zu Fall. Bevor dieser überhaupt begriff, was mit ihm passierte, rollte sich Milo aus seinem Versteck, hockte sich auf die Brust des kleinen Kerls und hielt ihm den Mund zu. Der Gnom wedelte mit den Armen wie ein Jungvogel, der aus dem Nest gefallen war. Zuerst versuchte er, sich hochzudrücken, dann tastete er mit den Händen auf dem Boden nach etwas, das ihm helfen konnte. Alle Mühe war vergebens. Milo war einfach zu groß und zu schwer, als dass derGnom sich hätte befreien können. So geschwächt und ausgemergelt, hatte sich auch seine Gegenwehr schnell erledigt.
    Milos Hand verdeckte mehr als das halbe Gesicht des Gnoms. Zwei weit aufgerissene Augen starrten ihn an, die so groß waren, dass Milo sich an eine Eule erinnert fühlte. Der kleine Kerl gab eine jämmerliche Gestalt ab. Er versuchte, Milo in die Handflächen zu beißen, doch ohne Zähne war das ein sinnloses Unterfangen.
    »Hör mir gut zu«, flüsterte Milo. »Ich kann dir helfen. Ich habe das Dokument aus dem Kasten, das du suchst. Wenn du mir versprichst, nicht zu schreien, werde ich meine Hand von deinem Mund nehmen und es dir geben. Aber du musst ganz leise sein.«
    Die Augen des Tunnelgnoms leuchteten. Er versuchte zu nicken, und die Beißversuche in die Hand seines Peinigers wurden zu zärtlichen Kauattacken wie die eines Babys am Finger seiner Mutter.
    »Na gut, ich lasse dich jetzt los«, warnte ihn Milo vor. Kaum war er von dem Kerl heruntergestiegen, sprang der Gnom auf und zupfte mit den Händen an Milos Gewand.
    »Wo ist es? Wo ist es?«, flehte er.
    »Psst, du musst ruhig sein«, ermahnte ihn Milo. »Ich habe es hier in meiner Tasche. Warte, ich hole es raus und gebe es dir.«
    Der Gnom hüpfte aufgeregt auf der Stelle. Als Milo die Karte von Meister Othman aus der Tasche zog, grapschte er danach und entfaltete sie aufgeregt.
    »Das ist eine Karte«, stellte er freudig fest und zeichnete die Striche und Linien darauf mit dem Finger nach. Dann drehte er sie in den Händen herum und betrachtete sie von allen Seiten. Als er anscheinend nicht fand, wonach er suchte, trübte sich sein Blick, und die Mundwinkel zogen sich nach unten.
    »Es steht nicht drauf, wie sie heißt«, begann er zu jammern. »Ohne den Namen kann ich sie nicht einordnen.« Seine Stimme wurde immer lauter. »Die Verordnung sagt in Punkt drei, dass jedes Dokument einen Namen braucht, damit es alphabetisch eingeordnet werden kann.«
    Milo versuchte, den aufgebrachten Bibliothekargehilfen zu beruhigen. »Psst, sei bitte leise. Ich weiß ja, wie das Blatt heißt. Es ist die Karte von Graumark.«
    Jetzt leuchteten die Augen des Tunnelgnoms wieder.
    »Gr wie Graumark. Gr bis Gz ist gleich hier vorn. Hier unten müsste es sein. Ja! Genügend Platz ist auch noch da. Ich bring es nur noch schnell zum großen Bibliothekar, damit er es in die Liste eintragen kann.«
    Milo erwischte ihn gerade noch an dem zerlumpten Stoff seines Gewandes, bevor er losrennen konnte. Damit der kleine Kerl nicht vor Angst losbrüllte, hielt er ihm den Mund erneut zu und zog ihn zu sich

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