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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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heran.
    »Ich habe dir geholfen, nun musst du mir helfen«, flüsterte er ihm zu.
    Die Augen des Gnoms rollten in den Höhlen umher, als führten sie ein Eigenleben. Er versuchte, etwas zu sagen, doch die Hand auf seinem Mund hinderte ihn daran. Milo lockerte seinen Griff leicht.
    »Steht das auch in der Verordnung?«, flüsterte der Gnom.
    »Nicht in dieser«, erklärte Milo und zeigte bedeutungsvoll nach oben, »aber in der der Draußenwelt.«
    Der Tunnelgnom kicherte verzückt. »Was soll ich für dich tun?«
    »Zeig mir ein Buch. Es trägt den Namen Ceeth mùe fammamè .«
    »Ce ist zwischen Ca und Cr im zweiten Gang. Komm mit.« Wieder wollte der Tunnelgnom einfach losrennen, und wieder hielt Milo ihn zurück.
    »Wir müssen aber ganz leise sein«, erinnerte er den Gnom noch einmal. Der presste die Lippen aufeinander und trat auf Zehenspitzen auf der Stelle.
    »Genau so«, lobte ihn Milo.
    Zusammen schlichen sie nach vorn. Milo hatte Angst, der Bibliothekar würde sie hören oder den Lichtschein der Kerze sehen,aber er bemerkte sie nicht. Der Gnom hatte das Buch im Nu gefunden. Stolz tippte er mit dem Finger gegen den Buchrücken.
    Milo zog das Buch zwischen den anderen hervor. Es war alt, das mit Sicherheit, aber es unterschied sich nicht großartig von anderen alten Büchern. Milo wusste nicht genau, was er erwartet hatte, aber er hatte schon angenommen, es würde sich von allen anderen Büchern unterscheiden wie ein Steinpilz zwischen vielen Maronen. Er schlug das Buch vorsichtig auf. Es war vollständig in caryndischer Sprache geschrieben und somit für einen kurzen Blick hinein wenig erhellend.
    Der Gnom würde ihm nicht erlauben, das Buch einfach mitzunehmen, das wusste Milo. Aber falls er ihm etwas Gleichwertiges zum Tausch anbot, würde der Büchergehilfe sich vielleicht darauf einlassen.
    Milo zog die handschriftlichen Unterlagen von Meister Gindawell aus seiner Tasche hervor. In Gestensprache zeigte er dem Gnom, was er vorhatte. Dieser presste die Lippen aufeinander und wackelte mit dem Kopf abwägend hin und her. Dann grinste er breit und schnappte sich Gindawells Unterlagen.
    Milo fiel ein Stein vom Herzen. Tunnelgnome waren unberechenbar, aber dieser hier schien ganz umgänglich zu sein, entschied er. Jetzt musste er nur noch raus hier, ohne dass der Bibliothekar ihn bemerkte. Milo verneigte sich vor dem Gnom, der die Verbeugung wie ein dressiertes Äffchen nachahmte. Dann schlich er zurück zum Aufzug. Er wollte gerade den Gang verlassen, da krächzte hinter ihm die Stimme des kleinen Kerls auf.
    »Gi, das geht nicht. Dieses Buch ist in einer ganz anderen Reihe. Das ist gegen die Vorschriften.«
    Milo wollte erst zurück, um den Gnom zu beruhigen, doch da tauchte schon der Bibliothekar über der Wand aus Büchern auf.
    »Was ist hier los?«, brüllte er.
    Milo machte sich keine Hoffnung, dass er vielleicht auf einer Leiter stand, da der Kopf allein schon so groß war wie ein Bierfass. Das Gesicht des Kolosses setzte sich aus Steinen, Erde und Rindenstücken zusammen. Mächtige Hauer traten aus seinem Mund hervor, die aussahen wie die Splitter großer Milchquarze. Die Nase war ein Stück Wurzelholz, und seine Augen leuchteten hellblau wie Aquamarine. Langes gelbliches Haar wie vertrocknetes Gras hing von seinem Kopf herunter und verband sich mit dem Vollbart, der ihm bis zur Brust reichte. Am meisten Sorgen bereitete Milo aber, dass er äußerst zornig wirkte.
    »Vorschrift eins!«, brüllte er, als er den Halbling entdeckt hatte. »Kein Fremder darf die Bibliothek betreten. Darauf steht der Tod.«
    Er steckte seinen knorrigen, halb hölzernen, halb steinernen Arm nach Milo aus. Es fehlte jedoch etwas an Reichweite, was Milo auch ganz recht war, da er immer noch überlegte, ob er sich einfach zerquetschen lassen oder doch lieber flüchten sollte.
    Der Bibliothekar lehnte sich weit nach vorn, um näher an ihn heranzukommen. Ächzend gaben die Regalböden unter dem Gewicht nach. Reihe für Reihe brachen sie heraus, und Bücher und Papier verteilten sich über den Boden. Der Koloss geriet aus dem Gleichgewicht. Um nicht zu fallen, stützte er sich mit den Armen gegen die benachbarten Bücherregale. Auch diese hielten dem Gewicht des Ungetüms nicht stand. Knirschend rissen die Verankerungen aus dem Boden, und die ganze Bücherwand neigte sich beängstigend weit nach vorn   – auf Milo und den Gnom zu. In diesem Moment fassten sie beiden denselben Entschluss: Es war besser zu laufen.
    Milo rannte den

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