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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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entgegen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber es gibt keinen anderen Zugang zur Bibliothek als diesen.«
    »Das ist der größte Schwachsinn, den ich bisher gehört habe«, fluchte Dorn.
    Er griff nach Senethas Hand wie ein Jüngling, der seine Angebetete das erste Mal zum Tanzen auffordern wollte.
    »Senetha, lass uns einfach von hier verschwinden. Diese Rebellion geht uns nichts an. Ich besorge uns zwei Pferde, und sobald es dunkel wird, reiten wir durch das Osttor und versuchen unser Glück in einer anderen Stadt.«
    Sie lächelte ihn an, wie es nur eine Frau tun konnte, die sich darüber freute, dass man ihr versprach, dass alles gut werden würde, die aber nicht mehr daran glauben konnte.
    »Und was machen wir dann in einer anderen Stadt? Schlagen wir uns wieder mit dem Abschaum herum in der Hoffnung, dass wir irgendwo in Ruhe leben können? Sollen wir Bettlerkönig und Bettlerkönigin werden? Schänden wir des Nachts weiterhin Gräber? Leben wir in irgendeinem dunklen Keller? Was hält das Leben denn schon für uns mehr bereit als dieses kleine Abenteuer?«
    Dorn erwiderte nichts. Sein Kopf sank nach unten, und er starrte auf seine und Senethas Hand. Er streichelte zärtlich über ihre Finger.
    Milo konnte die beiden nicht länger ansehen. Er fühlte sich wie jemand, der an einer fremden Schlafzimmertür lauschte. Es war ihm unangenehm, und außerdem fürchtete er sich davor, was Dorn tun könnte, um seine Geliebte davon zu überzeugen, doch mit ihm zu gehen.
    »Ich kann mit dem Aufzug nach unten fahren«, schlug Milo hastig vor. »Ich passe bestimmt ohne Probleme hinein. Ihr müsst mich nur runterlassen und wieder hochziehen, wenn ich das Buch habe.«
    Die drei Menschen starrten ihn an, wie Eltern ihr Kind ansahen, wenn es sich ein Holzschwert geschnappt, einen Kochtopf übergestülpt und tapfer verkündete hatte, dass es losziehen wollte, den Trollkönig zu töten.
    Als Milo sich in den engen Holzkasten presste, war er sich nicht mehr so sicher, dass sein Vorschlag so klug gewesen war. Mit angewinkelten Beinen und eingezogenem Kopf starrte er auf die drei Menschen. Ihre Blicke sollten ihm sicherlich das Gefühl von Respekt vermitteln und Zuversicht geben, dass schon alles gut gehen würde, aber in ihren Augen sah er, dass sie alle heilfroh waren, nicht an seiner Stelle zu sein.
    »Wenn wir dich wieder hochziehen sollen, ruf einfach. Wenn das zu gefährlich ist, klopf an den Deckel des Aufzuges«, erinnerte ihn Dorn.
    »Was ist, wenn ihr mich nicht hören könnt, weil die Bibliothek zu weit unten ist?«
    »Dann ruf lauter.«
    Mit diesem gut gemeinten Ratschlag löste Dorn das Seil vom Haken an der Wand und ließ Milo mit dem Aufzug langsam hinab.
    Das Letzte, was Milo sah, waren die drei Gesichter. Eines lächelte und schien zu sagen: Komm heil wieder zurück, kleiner Milo . Das andere schaute grimmig und verriet: Wenn du es nicht schaffst, kann ich endlich weg von hier . Und das letzte schrie in seiner Vorstellung voller Entsetzen: Bitte komm wieder, sonst wischt er mit mir den Boden auf.
    Dann wurde es dunkel um Milo. Er hoffte, dies würde sich sofort ändern, wenn er erst einmal unten angekommen war. Er ging davon aus, dass eine Bibliothek, die sich im Keller befand, beleuchtet war. Der Aufzug bewegte sich nur langsam, dafür aber gleichmäßig. Sobald Milo auch nur sein Gewicht verlagerte, schabte die Außenseite der Kiste an einer der Schachtwände entlang. Milo hatte das Gefühl, Stunden in dem engen Kasten festzustecken, obwohl es höchstens eine Minute dauerte, bis er das untere Stockwerk erreichte. Er begriff zuerst nicht, dass seine Reise zu Ende war, weil er immer noch in die Dunkelheit starrte.
    Doch dann sagte eine tiefe grollende Stimme, die aus einem hohlen Baumstumpf zu kommen schien: »Sieh nach, was sie uns geschickt haben.«
    Ein zuerst kaum sichtbarer Lichtschein näherte sich schnell und ließ die Umrisse von langen Regalreihen erkennbar werden.
    Milo zwängte sich eilig aus dem Kasten heraus und hüpfte aus dem Aufzug. Der Boden war kalt und glatt, aber trocken. Gerade als der Träger des Lichtes um die Ecke bog und der Lichtschein in den Gang fiel, huschte Milo in einen der Seitengänge. Er tastete sich an den Regalen entlang. Sie waren höher, als er greifen konnte, und anscheinend bis zum Bersten mit Büchern, Papierrollen und losen Blättern gefüllt.
    Milo ertastete eine Lücke weit unten. Das Regalbrett war vollständig leer und groß genug, dass ein Halbling hineinpasste. Er schlüpfte

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