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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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hinein und legte sich so, dass er den Aufzug beobachten konnte.
    Der Lichtschein wurde heller. Kleine nackte Füße platschten über den Steinboden. Milo konnte einen kurzen Blick auf die Bücherwand ihm gegenüber erhaschen. In jedem Regal standen Hunderte von Büchern und Schriften. Einige waren dicke, in Leder gebundene Folianten, andere nur so breit wie ein Finger, die losen Seiten mit einer Kordel zusammengehalten. Stapel von Papieren türmten sich auf. Schriftrollen lagen dicht an dicht, einige auf vergilbtem Pergament, andere auf strahlend weißem Papier.
    Milo verließ der Mut. Wie sollte er zwischen all den Büchern das richtige finden. Er hatte kein Licht und würde auch keines entzünden können, wenn er unbemerkt bleiben wollte. Und er wusste noch nicht einmal, wie das Buch aussah, das er suchte.
    Der Lichtschein erreichte den Aufzug. Er ging von einer Kerze auf einem flachen Unterteller aus. Dieser Teller wurde von einemWesen getragen, das gerade einmal drei Fuß groß, in Sackleinen gekleidet und barfüßig war.
    Ein Tunnelgnom, wurde Milo klar. Der fast kahle Kopf war nur von wenigen Haarbüscheln gekränzt, die dafür aber in alle Richtungen standen. Das Wesen sah abgemagert aus, was Hände, Füße und Kopf noch größer erschienen ließen, als sie ohnehin schon waren. Die Haut war blasser als bei den Gnomen, die Milo kannte. Er schob es auf die Dunkelheit hier unten, ebenso wie die schlechte Verfassung des kleinen Kerls.
    Der Gnom stand vor dem offenen Aufzug. Die Unterkante des Kastens befand sich gerade auf seiner Augenhöhe. Er stellte die Kerze auf den Boden und begann, zu hüpfen wie ein aufgeregter junger Hund, kurz bevor man einen Stock warf. Dann nahm er die Kerze wieder in die Hand und hüpfte erneut. Der Gnom suchte den Boden vor sich ab, dann betastete er den Aufzug von innen. Als er sich an mehreren Stellen des Kopfes abwechselnd mit beiden Händen gekratzt hatte, schlich er dorthin zurück, von wo er gekommen war.
    Milo wartete in seinem Versteck ab, was passieren würde. Vielleicht dachten sie, sie hätten sich geirrt.
    »Was bringst du mir?«, grollte die Stimme wieder.
    »Es war leer«, antwortete der Gnom mit seiner fisteligen Stimme untertänig.
    »Was war leer? Das Fach, oder war es ein leeres Blatt Papier?«, wollte die Stimme wissen.
    Für einen Moment herrschte Stille. Dann kehrten die kleinen platschenden Füße zurück und brachten erneut Licht in die Dunkelheit. Wieder stand der Gnom vor dem Fach und wiederholte die Prozedur seines ersten Auftritts. Dann eilte er zum zweiten Mal zurück.
    »Das Fach ist leer«, verkündete er stolz.
    Wieder herrschte einen Moment lang Schweigen.
    »Das kann nicht sein!«, brüllte die Stimme unvermittelt los. »Das ist gegen die Verordnung. Unser Auftrag lautete anders. Siehaben gesagt, wenn das Fach nach unten kommt, nehmt die Dokumente darin heraus und ordnet sie in die Regale ein. Das ist nicht richtig. So etwas darf nicht passieren. Steh hier nicht so rum, du Taugenichts. Lauf los und zähl die Bücher durch. Ordne die Schriftrollen und sieh nach, ob sich irgendwo ein einzelnes Blatt dazwischengemogelt hat. Irgendwo muss etwas sein. Das Fach kommt niemals ohne etwas herunter. Lauf schon los, du widerliches Scheusal.«
    Hektik brach aus. Das Licht wechselte von einem Ende des Raumes zum anderen. Bücher wurden zu Boden geworfen, aufgestapelt und wieder in die Regale geräumt.
    »Aa bis Ak ist vollständig, großer Bibliothekar!«, kreischte der Gnom.
    »Keine Pause! Mach weiter, du Gewürm«, bekam er zur Antwort.
    Das Bücherrücken begann von Neuem, nur diesmal etwas näher als zuvor. Dann tauchte der Lichtschein am Ende des Ganges auf, in dem Milo sich versteckte. Schnell zog er eines der Werke in dem Regal über seinem Versteck heraus und hielt es ins Licht.
    Grundgedanken zum Götterwillen.
    Gr, es kann nicht lange dauern, bis der Gnom mich findet , überlegte Milo.
    Er brauchte einen Plan. Am besten einen guten. Einen Plan, in dem der Bibliothekar ihn nicht in die Finger bekam. Die gewaltige Stimme reichte aus, um Milo zu verraten, dass es ein ungleicher Kampf wäre.
    Kampf? Was für ein Kampf? , schalt er sich. Er würde mich einfach zertreten. Ein Kampf ist es nur, wenn beide wenigstens ein Mal zuschlagen.
    Der einzig erkennbare Schwachpunkt hier unten war der Gnom. Er kannte dieses Völkchen zwar nur als Bedienstete von Meister Othman, aber diese kurzen Eindrücke reichten aus, um zu sagen, dass Gnome nicht sonderlich schwer

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