Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
einem Lastbalken, dessen Holzstreben so dick waren wie Schiffsmasten. Die Vorrichtung zum Antreiben musste sich irgendwo unten in der Schlucht befinden. Nachdem der Käfig seine erste Ladung Zwerge aufgenommen hatte, stieg das Gedränge auf demPlateau. Jeder wollte möglichst schnell drankommen, doch in diesem Tempo würde es einen ganzen Tag dauern, bis alle den Weg hinab geschafft hätten. Keiner der Zwerge schien mehr Lust zu haben, sich mit den Reiserationen zufriedenzugeben und sie mit schalem Bier hinunterzuspülen.
Dorimbur und Tomdrin standen weit vorn und bestimmten, wer mit der nächsten Fuhre nach unten fahren durfte. Außerdem teilten sie die Ausrüstung ein, die noch zusätzlich mit hinuntergeschafft werden sollte.
Nelf hörte, wie sich zwei Zwerge unterhielten und davon redeten, dass unten genügend zu essen und zu trinken bereitstünde, um ein Heer ein Jahr zu verköstigen. Nelf bezweifelte, dass sich das, was sie dort in der Schlucht zu essen bekämen, wesentlich von dem unterscheiden würde, was sie als Verköstigung auf dem Marsch bekommen hatten. Aber ihm wurde bewusst, dass die Mission, welchem Zweck sie auch immer dienen mochte, schon von langer Hand vorbereitet worden war. Dies wiederum bedeutete, dass es einen ausgeklügelten Plan der Zwerge gab und diese Aktion nicht einfach nur auf einer Laune beruhte mit wenig Aussicht auf Erfolg. Was gleichwohl hieß, dass die Überlebenschancen für seinen Bruder und ihn enorm anstiegen.
Nelf und Tislo bereiteten sich auf eine längere Wartezeit vor. Wahrscheinlich waren die Gefangenen neben ihren Wächtern die Letzten, die mit dem Aufzug nach unten fahren durften. Die Zwerge schienen derselben Meinung, denn sie trieben alle dicht zusammen und stellten Wachen auf, damit nicht doch einer auf die Idee kam, flüchten zu wollen. Nelf und Tislo setzten sich im Schneidersitz auf den kalten Boden. So zusammengepfercht war es nicht mehr so kalt, und es gab deutlich weniger Herumgeziehe vom Vorder- oder Hintermann an den Fesseln. Die beiden teilten die wenigen Proviantvorräte, die sie gehamstert hatten, zwischen sich auf. Einer der Zwerge warf ihnen sogar noch einen halben Laib Brot und einen gefüllten Schlauch Wasser zu.
»Das werde ich nicht mehr brauchen«, sagte er lachend. »Dortunten wartet auf mich ein frisch gezapftes Bier oder auch zwei und ein herrliches Stück Schweinebraten. So eines mit Kruste, die in kleine Vierecke geschnitten ist und so wunderbar knackt, wenn man sie zerbeißt.«
Nelf gönnte es ihm. Er gönnte jedem Zwerg alles, was dessen Stimmung auch nur ein wenig aufhellte. Nicht weil er eine gute Seele hatte, nein, nur aus einem einzigen Grund: dass ihm abgelegte Brotkanten lieber waren als Fußtritte.
Die beiden Halblinge hatten gerade aufgegessen und reichten den Wasserschlauch umher, als die ersten aufgeregten Rufe laut wurden.
»Was ist da vorne wohl los?«, fragte Tislo, der sich sofort erhoben hatte, aber enttäuscht feststellen musste, dass er über Zwerge weder hinweg- noch hindurchsehen konnte.
»Wahrscheinlich streiten sie sich darum, wer als Nächstes fahren darf«, sagte Nelf.
»Nein, der Aufzug hat sich anscheinend irgendwo verhakt«, erklärte der dicke Händler. »Einer der Zwerge ist auf den Lastgalgen geklettert und zerrt wie verrückt an dem Seil. Die anderen feuern ihn an.«
Plötzlich jubelte die Menge auf.
»Jetzt hat er ihn wohl losbekommen«, kommentierte Nelf. Er sah den Händler fragend an. Der antwortete jedoch nicht sofort, sondern kniff die Augen zu zwei schmalen Schlitzen zusammen, presste die Lippen aufeinander und wackelte unentschlossen mit dem Kopf hin und her.
»Oh ja, das hat er«, knurrte er. »Und er hatte einen Höllenzahn drauf, als ihn das Seil in die Tiefe gerissen hat.«
Es dauerte fast zwei Stunden, bis der Aufzug repariert war und das Seil wieder über der fast Wagenrad großen, geschmiedeten Rolle lag.
Der Händler hatte während dieser Zeit auf Nelfs Drängen hin alles kommentiert, was vorn am Plateau vor sich ging.
»Jetzt kann es endlich weitergehen«, stöhnte er und setzte sich zu den beiden Halblingen auf den Boden.
Die Ruhe währte jedoch nicht lange. Kurze Zeit später tauchten zwei schwer gerüstete Zwerge auf und ließen ihren Blick über die Gefangenen schweifen.
»Du, du und du, mitkommen!«, befahlen sie, dem Händler einen Fußtritt verpassend. Nelf und Tislo bedachten sie mit zwei Kopfnüssen, um klarzustellen, wer gemeint war.
Nelf hatte sich vorgenommen, auf
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