Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
dieser Reise keine weiteren Schläge zu kassieren, und schwang sich sofort auf die Beine. Tislo schien es ähnlich zu halten.
»Ich bin nicht so stark, wie ich aussehe«, erklärte der Händler. »Es wird besser sein, Ihr nehmt Euch einen kräftigeren Burschen als mich.« Dieser Einwand brachte ihm einen Schlag mit dem Handrücken des Kettenhandschuhs ein.
»Du bist genau der Richtige«, knurrte der Zwerg. »Wir suchen ein paar fette Schweine, um die es nicht schade ist. Mit dir scheinen wir in jedem Fall einen guten Fang gemacht zu haben.«
Der Händler schien wenig Lust zu verspüren, weitere Prügel einzustecken. Er hievte seinen Körper hoch wie eine trächtige Kuh und zog sich die Hose zurecht, die einen tiefen Blick auf seinen Hintern gestattete. Nelf wandte sich angewidert ab.
»Wenn ich so unverzichtbar bin, wäre es eine Sünde, nicht zu helfen«, schnaubte der Händler.
Nachdem die Zwerge sie von ihren Fesseln befreit hatten, wurden sie durch die Mengen von grimmig dreinblickenden Bärtigen nach vorn zum Plateau geführt, wo Dorimbur und Tomdrin sie schon erwarteten. Zwei andere Wächter brachten noch einen Mann und zwei Frauen zum Aufzug.
»Wunderbar!«, rief Dorimbur aus. »Mutige Freiwillige, die der Handwerkskunst der Zwerge, ohne zu zögern, ihr Leben anvertrauen. Das nenne ich vorbildlich. Wenn ihr mich nicht enttäuscht, werde ich darüber nachdenken, eure Strafe um ein Jahr zu verkürzen.«
Nacheinander wurden sie in den Aufzugskäfig getrieben. Nelf war als Erster an der Reihe. Als er an Dorimbur vorbeigeführt wurde, fragte er unsicher: »Was muss ich tun, um Euch nicht zu enttäuschen?«
»Zusammen mit dem Käfig unten heil ankommen«, lachte Dorimbur. Dann zeigte er auf eine Stelle weiter unten in der Schlucht. Nelf beugte sich behutsam vor und wusste sofort, wovon der Zwerg sprach. Etwa auf der Hälfte war das Seil geflickt – mit einem Knoten.
»Gute Handwerksarbeit«, flüsterte Nelf und brachte Dorimbur damit erneut zum Lachen.
Tislo war der Nächste in der Reihe. Er schlich an dem Zwerg vorbei wie ein geschlagener Hund. Dann kam der Händler, baute sich vor dem Zwergenanführer auf und stemmte die Hände in die nicht vorhandenen Hüften.
»Ich habe nur noch ein halbes Jahr bei Euch«, sagte er. »Wie Ihr seht, ist der Anreiz auf ein Abenteuer für mich nicht sonderlich groß. Vielleicht solltet Ihr lieber jemanden nehmen, der Euer Angebot mehr zu schätzen weiß.«
Dorimbur sah ihn etwas mitleidig an.
»Nur noch ein halbes Jahr, sagst du?«
Der Händler nickte eifrig.
»Na gut, dann musst du nur den halben Weg nach unten heil schaffen, und du bist frei.«
Nelf konnte nicht sagen, was den Händler mehr traf, die Zurückweisung seines Einwands oder das Gelächter der Zwerge. Auf jeden Fall war er schweißnass und totenbleich, als er sich durch die kleine Gittertür des Käfigs zwängte.
»Freu dich doch«, ermutigte ihn Nelf. »Wenn wir unten sind, bist du ein freier Mann.«
Der Händler zeigte keine Reaktion. Er hielt den Blick starr gegen die Felswand gerichtet.
Nach und nach zwängten sich die anderen Gefangenen in den Käfig. Jeder vermied es, nach unten zu schauen, und fixierte stattdessen einen festen Punkt nahe bei. Nur Nelf und Tislo schauten zwischen ihren Füßen hindurch in die Tiefe.
»Tausend Fuß, würde ich meinen«, erklärte Nelf.
»Vielleicht noch etwas mehr«, kommentierte Tislo. »Aber was macht das schon für einen Unterschied.«
»Knifflig wird es erst, wenn der Knoten über die Rolle muss. Könnte sein, dass er aus der Führung rutscht oder vielleicht sogar aufgeht.«
»Könntet ihr bitte den Mund halten?«, fauchte der Mann, der in Begleitung der beiden jungen Frauen gebracht worden war. »Ihr seht doch, dass meine Begleiterinnen Angst haben.«
Nelf verstand die Aufregung nicht. Sie hatten lediglich laut darüber nachgedacht, was alles passieren konnte, mehr nicht. Wenn die anderen sich ein wenig mehr für ihre Lage interessieren würden, anstatt nur bibbernd dazusitzen, wäre ihnen klar geworden, dass die Fahrt nach unten vielleicht etwas holprig werden würde, aber mehr nicht. Die Zwerge kannten sich mit Aufzügen aus, und ihre Handwerksarbeit war berühmt. Sie würden es nicht darauf ankommen lassen, weitere Verluste hinnehmen zu müssen. Immerhin hatten es schon viele heil hinunter geschafft. Aber um Streit zu vermeiden, kam er der unfreundlichen Bitte nach.
Die Gittertür war kaum zugeschlagen, da bewegte sich der Käfig auch schon
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