Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
oder Alarm schlagen solltest, bevor wir aus dem Stadttor sind, wirst du dir wünschen, bei den Elfen untergekommen zu sein. Haben wir uns verstanden?«
Der Schreiberling nickte erleichtert. Er blieb auf seiner zusammengerollten Decke sitzen und schaute zu, wie die anderen sich reisefertig machten. Viel gab es nicht einzupacken: etwas Proviant, zwei Wasserschläuche und eine Decke für jeden.
»Wir werden mindestens eine Woche brauchen, um überhaupt das Hochmoor zu erreichen«, sagte Dorn. »Ohne Pferde oder wenigstens zwei Maultiere werden wir nicht entkommen können, wenn sie uns verfolgen.«
»Warum sollten sie das tun?«, fragte Milo. »Wir haben nichts getan. Wir gehören weder zu den Rebellen, noch sind wir Raufbolde im Dienste der Kleriker.«
»Sie werden uns verfolgen, wenn sich erst einmal herumgesprochen hat, dass Narik einen Söldner, eine Magierin und einen Halbling vermisst, die im Besitz des Wahrzeichens seiner Rebellion sind. Entweder verfolgt uns die eine oder die andere Seite, je nachdem, wer die Gewalt über die Stadttore hat. Die einzige Chance, die wir haben, ist, als ganz normale Familie durchzugehen, die vor den Unruhen in der Stadt flüchtete.« Dorn zeigte der Reihe nach auf sich, Senetha und Milo. »Vater, Mutter, Kind.«
Milo schaute auf seine Füße.
»Wenn du glaubst, ich würde mir Schuhe anziehen, hast du dich geschnitten. Vergiss es! Ich bin ein Leben lang ohne ausgekommen und werde es auch jetzt tun.«
»Und wie wäre es mit einem rosa Kleidchen, das bis zum Boden reicht?«, frotzelte Dorn. »Eine Schleife im Haar würde sich auch gut machen.«
»Hast du keine Angst, dass du dir dann von noch einer Frau sagen lassen musst, was du zu tun und zu lassen hast?« Milo grinste frech, während Dorn knurrend die Kellertreppe hinaufstapfte.
»Ich würde ihn nicht so reizen«, flüsterte Senetha. »Am Ende seiner guten Laune steht die Spitze seines Schwertes.«
»Er hatte schon mal gute Laune?«, kicherte Milo.
Ein Blick auf die Straßen von Zargenfels reichte, um zu erkennen, dass die Rebellion noch nicht zu Ende war. Die meisten Brände im Viertel waren zwar gelöscht, doch hier und da schwelte es noch, und im Süden standen dunkle Rauchschwaden über den Dächern. Wer nicht das Haus verlassen musste, um Besorgungen zu machen oder zur Arbeit zu gehen, blieb daheim. Mit gesenktenHäuptern und eiligen Schritten bewegten sich die wenigen Menschen durch die Straßen.
Narik führte seine Kämpfe nur nachts, damit nicht auffiel, dass seine Rebellen nur spärlich ausgerüstet waren, und die Chancen für einen Rückzug gut standen. Seine Leute kannten sich hier gut aus, und es würde ihnen leichtfallen, ihren Häschern in den dunklen Gassen zu entkommen. Vielleicht fühlte er sich bei Dunkelheit aber auch einfach nur sicherer, weil seine Blindheit dann nicht so stark ins Gewicht fiel.
Die Regorianer hielten sich zurück bei der Suche nach den Rebellen. Es gab ohnehin schon genug Menschen, die mit der Vorgehensweise der Kleriker nicht einverstanden waren, da brachte es nicht viel, noch mehr Bürger gegen sich aufzubringen, indem man hart durchgriff. Die Regorianer schienen zu hoffen, die Rebellen auch so mit der Zeit aufzureiben.
Milo, Dorn und Senetha hielten es wie die wenigen anderen, die an diesem Vormittag auf der Straße waren – sie bewegten sich zügig und unauffällig.
Zur Stadtmauer war es nicht weit, und die drei erreichten den Platz vor dem Osttor ohne Schwierigkeiten. Dorn hielt Milo und Senetha zurück, als sie auf das Tor zuhielten.
»Hier stimmt etwas nicht«, flüsterte er. »Die Schlupftür steht offen, und ich sehe nur einen Wachposten.«
Er hatte Recht, erkannte Milo. Für einen ganz gewöhnlichen Tag wäre dies vielleicht normal gewesen, doch angesichts dessen, dass in der Stadt ein Bürgerkrieg tobte, war ein offenes Tor und eine gelangweilte Wache zu schön, um wahr zu sein.
Einen Moment lang blickten sie sich um, um etwas zu entdecken, doch nichts deutet darauf hin, dass es sich wirklich um eine Falle handelte.
»Ich werde nachsehen, ob die Luft rein ist«, schlug Milo vor. »Auf ein Kind wird niemand achten.«
»Auf ein Kind mit großen Füßen«, gab Dorn zu bedenken.
»Schaust du allen immer zuerst auf die Füße?«
»Kommt drauf an, wen ich vor mir habe. Wenn es sich nicht lohnt, woanders hinzusehen, schon.«
Milo tat die Bedenken des Söldners ab und stampfte los, quer über den Platz, hinüber zu der Wache am Tor. Der in Halbhelm und
Weitere Kostenlose Bücher