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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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Lederrüstung gekleidete Mann wirkte mehr als uninteressiert. Er lehnte am Wachturm und schaute verträumt durch die halboffene Schlupftür. Er drehte sich noch nicht einmal um, als Milo direkt hinter ihm stand.
    »Ist heute Morgen schon ein Händler mit einem Karren voller Töpfe und zwei müden Maultieren hier hindurchgekommen? Sein Name ist Olek.« Natürlich kannte Milos keinen Olek, er hatte nur etwas Unverfängliches sagen wollen.
    »Ist das der Name des Händlers oder von einem der Maultiere?«, nuschelte die Wache und drehte sich um.
    Milo konnte sich nicht entscheiden, ob er schreien oder davonrennen sollte, deshalb blieb er einfach wie angewurzelt stehen und gaffte den Wachposten an. Es war Rough. Er hatte sein langes Haar im Nacken unter die Rüstung geklemmt und seine Kleidung mit der einer Wache getauscht.
    »Was ist, warum glotzt du mich so an? Vielleicht habe ich ja die Seiten gewechselt. So ein Posten als Wachmann wird gar nicht schlecht bezahlt. Ich stehe den ganzen Tag nur hier herum, nicke den Leuten freundlich zu, und abends lasse ich mich mit meinem Sold in einer billigen Spelunke volllaufen. Klingt das für dich in irgendeiner Art verständlich?«
    Milo schüttelte ängstlich den Kopf.
    »Für mich auch nicht«, zischte Rough. Im nächsten Moment hatte er Milo bereits gepackt und im Würgegriff an seine Seite gezogen. »Söldner, du kannst ruhig herauskommen. Ich weiß, dass du da bist. Und deine kleine Schlampe bringst du am besten gleich mit.«
    Milo versuchte erst gar nicht, sich loszureißen. Rough hatte ihn so fest im Griff, dass es ohnehin nichts gebracht hätte, außer vielleicht ein paar extra Blessuren.
    Dorn und Senetha kamen aus ihrem halbherzigen Versteck. Dorn hatte bereits sein Schwert gezogen und sah weder übermäßig überrascht noch erzürnt aus.
    Rough pfiff zweimal kurz hintereinander schrill, und einen Augenblick später kamen seine Männer aus einer Seitenstraße im Norden auf den Platz geritten. Es waren vier seiner Schergen. Einer von ihnen hatte noch ein weiteres Pferd im Schlepptau. Sie postierten sich hinter Dorn und Senetha.
    »Du hättest uns nicht verraten sollen«, sagte Rough zu Dorn. »Narik hat dir und deiner hübschen Begleiterin vertraut. Er ist wenig begeistert davon, dass ihr ihn so hintergangen und dann auch noch seinen wertvollen Halbling entführt habt. Ich glaube, er ist ein schlechter Verlierer und hat wenig Verständnis, wenn man ihn hintergeht. Ich kann mich natürlich irren, aber seine Anweisung lautet, den Halbling zurückzubringen und dich und dein Liebchen irgendwo zu vergraben. Klingt für mich so, als ob er euch beiden die Freundschaft gekündigt hat.«
    Dorn verzog noch immer keine Miene. Nur Senetha blickte beunruhigt hin und her.
    »Wie habt ihr es geschafft, die Wachen auszuschalten?«, wollte Dorn wissen.
    »Das ist das Problem, wenn man sich als Verräter in Kellern verkriecht und den Kopf erst wieder hinaussteckt, wenn die Luft rein ist. Man bekommt einfach nichts mit. Gestern Nacht ist die Stadtmauer in unsere Hände gefallen. Die Stadtwachen haben sich zusammen mit den Rogorianern im Nordviertel bei den Tempeln verschanzt und lecken dort ihre Wunden. Tja, da staunst du, was? Die Stadt gehört uns.«
    »Die Stadt gehört euch, wenn den Klerikern das Gold ausgeht, um Söldner zu bezahlen. Oder der König keine Truppen mehr hat, die er seinem Neffen schicken kann. Aber keines von beidem wirst du noch erleben.«
    Rough grinste feist und nahm Milo noch etwas fester in die Zange. Milo bekam kaum noch Luft.
    »Mach dir über mich keine Sorgen. Es ist dein Leben, über das hier und jetzt Gericht gehalten wird. Narik will deinen Tod, aber ich finde, dass keinem von uns damit gedient wäre. Dich einfach abzuschlachten ist etwas, dass mir keinen Spaß machen würde. Ich finde, du hast es verdient, eine zweite Chance zu bekommen.«
    »Und wie würde die aussehen?«
    »Ganz einfach: Ich lasse dich laufen, und du versprichst mir, dich nie wieder hier blicken zu lassen. Dafür lässt du uns dein Liebchen hier. Meine Männer und ich würden uns gut um sie kümmern, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Roughs Grinsen wirkte genauso aufgesetzt und eingefroren wie die ausdruckslosen Mienen von Dorn und Senetha. Milo hatte das Gefühl, dass die Verhandlungen an einen Punkt gelangt waren, an dem es nicht weiterging   – jedenfalls nicht vorwärts.
    »Warum lasst ihr uns nicht einfach ziehen«, bat er. »Genau wie ihr suchen wir auch nur nach der Wahrheit.

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