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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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Glaubensbrüder zum Anlass, seine Gefolgsleute abermals im Kampf gegen die Regorianer anzustacheln. Aber er ließ es sich auch nicht nehmen, seinen ganz eigenen Nutzen daraus zu ziehen. Er kannte Owen Tyr und wusste aus den vielen nächtlichen Gesprächen mit ihm bei einem Gläschen Wein von seinen Ersparnissen. Er wusste nicht, wo genau die Schatulle zu finden war, die Owens Vermögen beherbergte, aber sie konnte nicht weit sein. Narik bezog mit seinen engsten Vertrauten das Gasthaus, nachdem die Regorianer es weitestgehend geplündert hatten. Er selbst quartierte sich in den Privaträumen von Owen ein, während seine Männer in den anderen Zimmern unterkamen.
    Schon nach wenigen Stunden fand Narik, wonach er suchte. Seine Blindheit, oder genauer gesagt, seine durch die Blindheit gesteigerten anderen Sinne, kamen ihm dabei zugute. Eine Bodendiele, die öfter hochgenommen wurde, hörte sich beim Drauftreten anderes an als die übrigen. Narik ertastete die kleine Schatulle, barg sie aus ihrem Versteck und machte das kleine Vermögen zu seinem eigenen.
    In dieser Nacht schlief er das erste Mal mit einem Gefühl der Geborgenheit ein.
    Der Wissende saß an dem kleinen runden Tisch nahe dem Fenster und beobachtete Narik, wie er selig schlummerte. Mit einer Handbewegung flammte die Kerze auf, die auf einem lasierten Tonteller klebte   – Licht erhellte den Raum. Das kleine Zimmer war so gut wie leergeräumt. Alles, was einen Wert besaß, hattendie Regorianer fortgeschleppt und zu Geld gemacht. Neben der Kerze stand eine geöffnete Schatulle aus Zedernholz.
    Es war mit Sicherheit nicht das Licht, das den Schlaf des blinden Mannes unruhig werden ließ. Der Wissende schob es auf den Geruch des brennenden Dochtes. Bei einem Blinden mussten die übrigen Sinne selbst noch im Schlaf funktionieren, und der Geruch von Feuer war ein Alarmsignal.
    Er beobachtete, wie sich Narik von einer Seite auf die andere wälzte und dabei kläglich stöhnte. Es dauerte einige Minuten, bevor der Anführer der Rebellen in Zargenfels wach wurde und im Bett hochschreckte. Er drehte verstört den Kopf, um den Geruch einzufangen.
    »Macht Euch keine Sorgen«, sagte der Wissende mit ruhiger Stimme. »Es brennt nicht. Ich habe mir nur erlaubt, ein wenig Licht zu machen, um Euch besser sehen zu können.«
    Narik zog die Decke zu sich heran wie eine keusche Jungfer.
    »Wer seid Ihr? Was habt Ihr in meinem Zimmer zu suchen?«
    »Es scheint mir, als gäbe es in diesem Raum nichts mehr, das zu suchen sich noch lohnte. Ihr habt das letzte Geheimnis gelüftet und zu Eurem eigenen gemacht.«
    Nariks blinde Augen suchten nach der geöffneten Schatulle auf dem Tisch und fanden sie zielsicher.
    »Das Geld gehörte niemandem mehr«, rechtfertigte sich Narik. »Es wird unserem Kampf für die Wahrheit dienen.«
    Der Wissende erhob sich und ging vor dem Fenster ein paarmal auf und ab. Ein wenig beeindruckt bemerkte er, wie der blinde Mann seinen Schritten folgen konnte.
    »Zu gern würde ich Euch diese Worte glauben«, sagte er, »doch leider weiß ich es besser. Eure Gedanken haben Euch verraten. Ihr sehnt Euch nach einem Leben mit Pagen und Bediensteten, die es Euch erlauben, Eure Behinderung zu vergessen. Ich will das nicht verurteilen. Auch ich stelle meine Bedürfnisse vor die aller anderen. Dummerweise ist es so, dass Euer Tun meine direkte Angelegenheit ist und ich Euch kein Leben in Wohlstand führen lassen kann.«
    Narik fuhr mit der Hand in die Ritze zwischen Bettgestell und Matratze, zog einen Dolch heraus und streckte ihn dem nächtlichen Besucher entgegen.
    »Verschwindet hier, oder ich rufe nach meinen Wachen«, drohte er.
    »Seht Ihr, da ist unser Problem. Es sind nicht Eure Wachen, genauso wenig, wie es Euer Geld ist, das Ihr in den Taschen des Mantels versteckt habt. Selbst diese Rebellion ist nicht Eure Rebellion. Der Gedanke dazu stammt von mir. Somit werde auch ich bestimmen, wie alles hier endet.«
    Narik schwang die Beine aus dem Bett und erhob sich. Den Dolch hielt er mit beiden Händen umklammert, darauf bedacht, die Spitze fortwährend auf seinen Gesprächspartner zeigen zu lassen.
    »Ihr habt mich nicht enttäuscht«, sagte der Wissende, »dennoch betrübt es mich, zu sehen, dass Ihr mir mit so einer Feindseligkeit entgegentretet. Ihr seid blind, und ich bin alt, was es so gut wie ausgewogen macht. Doch der Dolch in Eurer Hand zwingt mich, ebenfalls eine Waffe zu ziehen.«
    Der Wissende griff in seine lange dunkelblaue Robe und zog einen

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