Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
dass meine Beine sich noch daran gewöhnen, festen Boden unter den Füßen zu spüren. Und Cephei bewahre, dass das Gefühl zurück in meinen Hintern kehrt.«
»Du wirst noch hoffen, wieder auf dem Gaul sitzen zu können«, sagte Dorn. »Von hier an gehen wir zu Fuß. Es ist zu gefährlich, weiterhin zu reiten. Auf den Pferden würden wir die sumpfigen Stellen erst bemerken, wenn wir mitten drin stehen.«
Senetha folgte Dorns Anweisungen, abzusitzen, ohne zu zögern. Milo haderte noch mit sich.
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst?«, beschwerte er sich bei dem Söldner. »Seit zwei Tagen zwingst du mich, auf dem Rücken von diesem Monstrum zu sitzen, und jetzt, wo wir durch einen verdammten Sumpf müssen, soll ich absteigen?«
»Was hast du gegen das Moor?«, erkundigte sich Dorn.
»Ich bin keine vier Fuß groß. Dreimal darfst du raten.«
»Absteigen!«, grollte Dorn unnachgiebig.
Milo glitt vom Pferderücken.
An Dorns schroffe Art ihm gegenüber hatte er sich langsam gewöhnt, doch seit ihrer Flucht aus Zargenfels war auch das Verhältnis zwischen dem Söldner und Senetha unterkühlt.
»Am Tor von Zargenfels, als Rough mich in seiner Gewalt hatte, was hast du Dorn da ins Ohr geflüstert?«, fragte Milo die Magierin, als er sicher war, dass der Söldner sie nicht hören konnte.
Senetha blieb stehen und starrte auf ihre Füße.
»Was hast du ihm gesagt?«, drängte Milo.
»Du musst es nicht tun«, sagte sie.
Milo verstand nicht. »Er musste was nicht tun?«
»Er hätte sie nicht töten müssen. Ich hätte es nicht von ihm verlangt«, erklärte Senetha. »Ich kann es in seinem Gesicht sehen, wenn er sich bereit macht, das Leben eines anderen zu beenden. Er bekommt dann diese leeren Augen und schmale Lippen. Er hasst das Töten mehr, als er mich liebt, glaube ich.«
»Entschuldige bitte, aber ich war auch dabei«, entgegnete Milo. »Er hatte gar keine andere Wahl. Wie hätte er mich sonst aus der Gewalt dieses verrückten Roughs befreien sollen?«
Senethas mitleidiger Blick sprach Bände und trug nicht sonderlich zu Milos Zuversicht bei, irgendwann wieder unbeschadet nach Eichenblattstadt zurückkehren zu können.
»Wenn er alle Dinge, die er hasst, so gut beherrscht wie das Töten, bin ich gespannt, ihm dabei zuzusehen, wie er etwas tut, das er mag«, antwortete Milo.
Senetha lächelte verkniffen.
»Das ist ja sein Problem. Bei allem, was eine Münze einbringen könnte und nicht mit einem Schwert ausgetragen werden kann, ist er miserabel. Regor hat ihm eine Gabe zukommen lassen, die nicht besonders angenehm, aber äußerst lukrativ ist.«
»Gold ist nicht alles im Leben«, merkte Milo an. »Es gibt wichtigere Dinge.«
»Ihr Halblinge seid erstaunlich«, sagte Senetha verblüfft. »Ihr könnt euch alles schönreden. Ihr findet in all der Ungerechtigkeit immer einen Funken Güte, und wenn es euch schlecht geht, denkt ihr an bessere Zeiten, die vielleicht kommen werden. Bei den Menschen ist es anders. Wer kein Geld hat, kann es sich auch nicht leisten, zu träumen. Denn zum Träumen muss man die Augen schließen, und wenn du das tust, schneidet ein anderer dir die Kehle durch, damit du ihm den Traum nicht stielst.«
Milo fand diese Ansicht äußerst befremdlich. Wenn man immer das Schlimmste befürchtete und jedem unterstellte, etwas Böses im Schilde zu führen, konnte man nie glücklich werden. Den Menschen fehlte der Sinn für die kleinen Freuden des Lebens. Für sie ging es immer nur darum, etwas haben zu wollen, was jemand anderer besaß. Fragte sich nur noch, warum Dorn und Senetha ihn begleiteten und was sie von ihm im Gegenzug erwarteten. Er wollte es lieber nicht wissen, sondern hüpfte vom Pferd und reichte der Magierin die Zügel.
»Vielleicht ist es besser, du nimmst das Pferd«, sagte er. »Ich glaube, es wartet nur auf eine Gelegenheit, mich im Moor zu versenken.«
Die Magierin nahm die Zügel entgegen und zog die beiden Reittiere hinter sich her.
Milo folgte als Schlusslicht. Es war einfach, einem sicheren Pfad durchs Moor zu folgen, wenn vor einem zwölf Hufe und vier Füße alles platt traten. Doch mit einsetzender Dunkelheit geriet ihr Vorankommen langsam ins Stocken. Nach einer Stunde beschloss Dorn, ein Lager für die Nacht aufzuschlagen.
»Das hätten wir schon vor zwei Stunden machen können«, beschwerte sich Milo bei dem Söldner. »Dann hätten wir nicht inmitten von diesem verdammten Moor schlafen müssen.«
»Wäre es dir lieber gewesen, dort zu nächtigen, wo es
Weitere Kostenlose Bücher