Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
jedoch, die Anspielung großzügig übergehend. »Essen gibt es erst nach Sonnenuntergang«, brummelte er und eilte zurück zum Tresen.
»Und das sicherlich nicht ohne Grund«, flüsterte Senetha.
Im nächsten Moment war der Wirt bereits zurück. Aus zwei Krügen füllte er die beiden Becher wie bestellt mit Bier und Wein.
»Vier Silberlinge«, brummte er fordernd.
»Ist es nicht länger üblich, die Zeche erst einzutreiben, wenn die Gäste gehen wollen?«, fragte Senetha.
»Nicht bei solchen, die ich nicht kenne und die so aussehen, als könnten sie nicht zahlen, aber dafür gut rennen.«
Dorn legte vier Silberlinge vor sich auf den Tisch und schob sie dem Wirt hin.
»Genau abgezählt«, stellte der Wirt enttäuscht fest, sackte die Münzen ein und eilte fort.
Dorn hatte sein Bier schnell geleert. Senethas Durst war nicht groß genug, um sich zu überwinden, aus dem schmutzigen Becher zu trinken. Wortlos saßen sie nebeneinander und beobachteten den schmalen Gang, der hinaus zur Straße führte.
Es wirkte alles wie immer. Händler schleppten die übrig gebliebenen Waren vom Markt zurück in die Läger am Osttor. Junge Männer aus der Handwerksgilde suchten einen Platz, wo sie etwas zu trinken bekamen und gleichzeitig die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts auf sich zogen. Und junge Frauen, die eindeutig zu wenig bekleidet waren für die ersten kühlen Herbstabende, beäugten junge Männer, von denen sie dachten, dass sie sich ihre Dienste leisten konnten.
Dorn schien jedoch noch etwas anderes bemerkt zu haben. Mit einem abfälligen Grunzen schwang er sich von seinem Stuhl hoch und blickte sich auf dem Hinterhof um. Als er entdeckt hatte, wonach er suchte, ging er zu einem Tisch auf der anderen Seite des Brunnens und sprach zwei junge Kerle an, die dort Platz genommen hatten. Nach einem kurzen Wortwechsel stand einer der beiden Männer auf und folgte Dorn zurück zu Senetha.
»Das ist Jonas«, stellte Dorn den Kerl vor.
Jonas wagte eine schüchterne Verbeugung und quälte sich mit einem verschämten Lächeln.
»Jonas ist sehr von dir angetan und bat mich, euch miteinander bekannt zu machen«, verriet Dorn und wandte sich dem jungen Mann zu. »Jonas, das ist Senetha, meine Schwester. Setz dich.«
Die letzte Anweisung des Söldners war weniger eine Bitte als mehr ein Befehl, dem der Mann augenblicklich nachkam. Senethas verstörter Blick ließ erkennen, dass sie keine Ahnung hatte, was das alles bedeuten sollte. Dorn ging zu dem Tisch zurück, von dem er den jungen Mann geholt hatte, und setzte sich wortlos mit einem finsteren Nicken zu Jonas’ Kollegen.
Senetha spielte ihre Rolle, und sie spielte sie gut, auch wenn sie nicht verstand, was Dorn mit dieser Aktion bezweckte. Der junge Mann namens Jonas zog alle Register der freundlichen Konversation. Mit Engelszungen redete er auf sie ein. Er betonte, wie schön ihre Haare seien, was für wundervolle grüne Augen sie habe … lauter belanglose Sachen. Senetha nickte und lächelte, sagte danke und bitte und suchte nebenbei immer wieder den Blickkontakt mit Dorn, um endlich das Zeichen zu bekommen, diese Maskerade beenden zu können.
»Wen haben wir denn da?«, fragte eine grobe Männerstimme.
Senetha zuckte zusammen. Sie hatte die Männer gar nicht kommen sehen. Vor ihrem Tisch bauten sich vier dunkel gekleidete Gestalten auf. Unter den schwarzen Umhängen zeichneten sich ihre Rüstungen und Waffengürtel ab. Unrasiert und mit langen strähnigen Haaren, düsteren Tätowierungen und verschiedenen Narben im Gesicht, an den Unterarmen und Händen, passten sie so gar nicht in das Stadtbild. Dennoch gehörten sie dazu wie der Wurm zum Apfel. Es waren Regorianer.
»Wir wollen keinen Ärger«, sagte Senetha. Diesen Satz hatte sie bestimmt schon hundertmal und mehr gesagt, aber noch nie hatte er geholfen.
»Den habt ihr schon«, grunzte der Regorianer.
»Ich kenne die Frau überhaupt nicht«, wimmerte Jonas sofort los. »Wir haben uns gerade eben erst getroffen. Eigentlich bin ich mit meinem Freund hier.«
Jonas versuchte aufzustehen, um ein wenig Licht in die Sache zu bringen und seinen Freund zu Hilfe zu rufen. Bevor er jedoch die Beine durchstrecken konnte, drückte ihn eine kräftige Männerhand an der Schulter grob zurück in den Stuhl.
»Schön sitzen bleiben, Jungchen«, sagte der Glaubenskrieger. »Ich würde dich ungern vor den Augen deiner Geliebten abschlachten.«
»Was haben wir denn getan?«, fragte Senetha empört.
»Ihr habt versucht,
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