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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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zur Seite weg wie auf Eis. Mit voller Wucht rammte er sich das Tischbein in die Magengrube, und unter einem qualvollen Stöhnen sackte er zurück auf den Boden.
    »Wir müssen von hier verschwinden!«, rief Senetha.
    Sie hatte bereits vom Brunnenrand aus die mannshohe Mauerkrone umklammert und versuchte nun, sich daran hochzuziehen.
    Dorn starrte zu Boden. Die Pflastersteine unter seinen Füßen waren wieder matt und staubig. Der Zauber, den Senetha gewirkt hatte, wenn es denn einer gewesen war, hatte sich kreisförmig von der Mitte des Innenhofes ausgebreitet und die Randbereiche und Ecken verschont. Dicht an die Wand gepresst, tastete sich Dorn zum Brunnen. Er packte Senetha an der Hüfte und hob sie auf die Mauerkrone.
    »Komm schon«, keuchte sie und starrte ihn mit ängstlichem Blick an. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.« Dann sprang sie zur anderen Seite hinunter und verschwand.

9. NELF, TISLO UND ODA
    »Ein Leben lang war ich stolz auf meine Füße«, ächzte Tislo und zerrte an dem Eisenring um seinen Knöchel, »doch mittlerweile kommt mir der Gedanke, dass Cephei uns damit für unseren ausschweifenden Frohmut bestrafen wollte. Ach nein, langsam bekomme ich alles durcheinander. Wir liegen ja nicht in Ketten wegen unseres Frohmuts, sondern weil unser Bruder Nelf hier, dieses hirnverbrannte Rindvieh, uns dazu überredet hat, die Zwerge um ein paar Rubine zu erleichtern. Von denen er übrigens behauptet hat, sie seinen so groß wie Äpfel.«
    »Granatäpfel habe ich gesagt. Die sind klein«, versuchte sich Nelf zu rechtfertigen.
    »Ich weiß, wie groß Granatäpfel sind, Brüderchen. Mindestens so groß wie Äpfel. Du meintest wohl eher die Kerne«, grollte Tislo. »Ich erinnere mich auch noch daran, wie du mir voller Stolz diese winzigen Splitter in deinem vollgeschnaubten Taschentuch präsentiert hast und mir dann einreden wolltest, dass sie wesentlich mehr hermachen, wenn sie geschliffen sind. Idiot! Wie soll man die denn schleifen? Wir hätten zwanzig von ihnen zusammenkleben müssen, damit man sie überhaupt auf einem Ring hätte sehen können.«
    »Aller Anfang ist schwer«, erklärte Nelf.
    »Anfang? Wir sitzen als Sklaven der Zwerge in einer Mine dreihundert Fuß unter der Erde fest. Von was für einem Anfang faselst du. Das hier ist wohl eher unser Ende.«
    »Seid still, ihr beiden Streithähne, sie kommen zurück«, zischte Oda.
    Augenblicklich herrschte Ruhe in dem engen, nur spärlich erhellten Blindstollen, nur das heranrückende Klappern von Metall hallte durch die Gänge und zeugte von Leben tief unter der Erde.Zwar war das Scheppern und Klirren kaum auszumachen und der Ursprung nur zu erraten, aber eines stand fest: Das Geräusch kam näher, und mit ihm auch diejenigen, die es verursachten.
    Ein winziger Kerzenstummel spendete kaum genug Licht, um alle drei Halblinge mit seinem Schein zu erfassen, doch als sich am Ende des Ganges ein Lichtkegel abzeichnete und damit die Verursacher des Lärms preisgab, rückten sie eng aneinander. Allmählich verwandelte sich der Schein in einen gleißenden Ball. Durch die runde Form des Tunnels und den rotbraunen Stein glich er der aufgehenden Sonne   – einer sterbenden Sonne, denn zwei schwarze Schatten hafteten an ihr wie Geschwüre.
    Tislo und Nelf hielten die zitternden Hände ihrer Schwester Oda.
    »Wo sind denn unsere drei Langfinger?«, rief eine tiefe, knorrige Stimme aus dem Lichtkegel heraus. »Schwingt eure müden Knochen, es gibt einiges für euch zu tun.«
    Die drei Halblinge wussten nicht, was schlimmer war: das ewige Warten in der feuchten, kalten Dunkelheit oder die kraftraubende Plackerei für ihre Wächter. Eines war jedoch sicher: Alles war besser, als sich ihren Unmut aufzuhalsen. Ein Sprichwort in Graumark lautete: Elf bleibt Elf, und Mensch bleibt Mensch, aber ein Zwerg ist nur so lange ein Zwerg, wie du ihn nicht ärgerst. Dieser Spruch war mehr als nur eine bloße Binsenweisheit. Der Verfasser hatte mit Sicherheit gewusst, wovon er sprach, und es war ihm zu wünschen, dass er noch am Leben war.
    Als der Lichtkegel ihr Ende des Stollens erreicht hatte und er die drei Halblinge umschloss, waren aus den zwei schwarzen Schatten Zwerge geworden.
    Menschen aus anderen Königreichen, die kaum Kontakt zu den Bärtigen hatten oder nur die fahrenden Händler oder beratenden Baummeister des Zwergenvolkes kannten, hätten die Geschichten über die Zwerge von Graumark als Ammenmärchen abgetan. Denn diese waren bekannt für ihre meilenlangen

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