Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
Licht herein- und den Qualm herauslassen würdet«, erwiderte Rubinia. »Und dafür müsstet Ihr keine zwei Wochen Tag und Nacht arbeiten. Jetzt esst bitte Euer Frühstück. Vielleicht legt Ihr Euch dann noch etwas hin. Ich wecke Euch zum Mittagessen wieder. In der Zwischenzeit kann Aschgrau hier etwas aufräumen.«
Der Gnom verzog verärgert das Gesicht.
»Wahrscheinlich habt Ihr wie immer Recht«, gestand der Magier. »Mein Talent liegt auch eher darin, Unordnung zu machen, und es ist wesentlich effektiver, wenn man ausgeruht an einem sauberen Arbeitsplatz sitzt, als zu versuchen, das Chaos noch zu vergrößern.«
Othman lächelte Rubinia verschmitzt zu.
2. DER WANDERER
»Eichenblattstadt? Nie gehört. Wo soll das sein?«, lallte der schmierig aussehende Tagelöhner von seinem Tisch hinüber zum Tresen, ohne seinen Gesprächspartner dabei auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen.
Dem Reisenden war dieses ungebührliche Verhalten wie auch die wenig brauchbare Antwort mehr als recht. Genauer gesagt, war gerade dieses »keine Ahnung« der Grund dafür, hier zu sein und die drittklassige Herberge, die wegen ihrer an Armut grenzenden Rustikalität bekannt war, zu ertragen. Zudem lockten ein feist grinsender Wirt, eine in die Jahre gekommene Schankmaid und ein übler Gestank aus der Küche. Wer sich hierher verirrte, wollte nur hastig etwas trinken, ein paar Neuigkeiten erfahren oder sie unters Volk bringen und so schnell wie möglich wieder verschwinden. Was jemand war, was er wollte, wie er aussah oder gar wie er hieß, interessierte hier niemanden. Ein perfektes Plätzchen, um nicht aufzufallen.
Der Mann am Tresen lächelte zufrieden im Schatten seiner Kapuze und wandte sich wieder dem Becher Rotwein vor sich zu. Jemand wie er konnte einem halbwegs guten Tropfen nicht widerstehen. Jederzeit hätte er den interessantesten Gesprächspartner gegen einen Krug Roten aus den tardisischen Hochlanden eingetauscht. Wein sprach immer die Wahrheit, wohingegen Menschen meist logen oder ihre vor Dummheit strotzenden geistigen Ergüsse von sich gaben.
»Eichenblattstadt? Die Reise könnt Ihr Euch ersparen«, stammelte ein anderer Gast vom Nebentisch.
Der Reisende drehte den Kopf zur Seite und beäugte den Fremden aus der Tiefe seiner Kapuze heraus. Anscheinend handelte es sich bei dem Mann um einen fahrenden Händler. Auf demTisch vor ihm lag ein ausgerolltes Pergament, auf dem er in großer Schönschrift einige Waren verzeichnete und diese mit Preisen versah. Vom Tresen aus waren nur die ersten zwei Zeilen zu erkennen: Seidenstoff dunkelblau – 1 Spann: 2 Taler, Lederriemen – 1 Schritt Länge: 1 Taler.
Der Händler hielt für einen Moment inne. Als er sich der Aufmerksamkeit seines Gesprächspartners gewiss war, schob er fordernd einen leeren Bierkrug über den Tisch.
Der Reisende wandte sich kurz dem Wirt zu und signalisierte mit einem Nicken sein Einverständnis, eine Runde zu spendieren.
Erst als der Krug randvoll war, redete der Händler weiter.
»Es gibt Orte, die weder Schutz noch gute Geschäfte, geschweige denn Reichtum versprechen«, verkündetet er allwissend. »Die meisten von ihnen lassen meinen Magen krampfen, bevor ich sie überhaupt betreten habe, und wenn ich sie wieder verlasse, bleibt ein fahler Geschmack im Mund zurück.«
Der Reisende nickte zögerlich. Mit diesem einen Satz hatte der Händler seine ganze Aufmerksamkeit errungen. Auch sein Magen zog sich zusammen. Ob ein fahler Geschmack im Mund zurückbleiben würde, lag am weiteren Verlauf des Gespräches.
»Aus Eichenblattstadt kommt nichts Gutes«, erklärte der Händler und leerte den halben Krug mit einem Schluck. Ohne sich die Reste der Bierkrone aus seinem Oberlippenbart zu wischen, fuhr er fort: »Wenn Ihr Geschäfte machen wollt, macht sie mit euresgleichen, sag ich immer. Alle anderen versuchen nur, einen aufs Kreuz zu legen.«
Der Reisende fühlte, wie sich seine Finger verkrampften. Schnell zog er sie in den Schutz der weit ausladenden Ärmel.
»Na ja, Ihr wisst ja, was man über die Bürger von Eichenblattstadt sagt«, druckste der Händler herum.
Vielleicht lag es an dem starren, auf ihn gerichteten Blick seines Zuhörers oder unter Umständen an dessen wortkargen Art, aber anscheinend befürchtete er plötzlich, an den Falschen geraten zu sein.
»Nein«, brummte der Reisende, »sagt mir, was man sich über sie erzählt.«
Der Händler blickte sich nervös in der Schankstube um. Er schien nach Unterstützung zu
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