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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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und Vorbilder waren und ihnen deshalb nichts zustoßen durfte, da sonst die Moral zerschlagen werden würde. Außerdem musste jemand den Rückzug organisieren, falls sie scheiterten. Und zu guter Letzt brauchte Narik jemanden, der ihn führte und nicht die Nerven verlor, wenn es heiß herging. Dorn glaubte zwar nicht daran, doch Senetha hatte ihm zugestimmt, und das war es schließlich, worauf es ankam.
    Einer der Wachposten, die Dorn ausgeschickt hatte, um die Straßen rundherum zu beobachten, kam abgehetzt auf den Hinterhof gestürzt.
    »Sie   … sie   … kommen«, stammelte er vollkommen außer Atem.
    »Dorn packte den Jungen bei den Schultern, zog ihn zu sich heran und hob dessen Kopf, damit er ihn ansah. »Ganz ruhig«, sagte er. »Wie viele sind es, und von wo kommen sie?«
    Der Junge atmete zwei-, dreimal tief durch.
    »Sie kommen vom Osttor. Sie sind gerade in die Prinzengasse eingebogen, dort wo die Schmiede an der Ecke ist. Es sind zwei Achtertrupps und zwei Reiter.«
    So schnell steht es plötzlich nur noch vier zu eins, bevor überhaupt der ersten Tropfen Blut geflossen ist , dachte Dorn.
    »Sie kommen früher, als erwartet«, richtete er sich an seine Mitstreiter. »Tut, was ich euch gesagt habe, aber haltet euch von den beiden Reitern fern. Um die kümmere ich mich. Jetzt alle auf ihre Positionen und wartet auf mein Zeichen.«
    Sofort herrschte ein heilloses Durcheinander. Es sah aus, als ob der Kampf schon begonnen hätte. Alle rannten kreuz und quer durch die Gegend, schubsten und drängelten, um dort hinzugelangen, wo sie Stellung beziehen sollten. Dorn blieb mit sechs Männern in der schmalen Seitengasse neben dem Hinterhof.
    Es dauerte eine Ewigkeit, bis jeder seinen Platz gefunden hatte. Dorn musste noch einige Korrekturen vornehmen und zwei Gruppen ermahnen, sich weiter in ihre Verstecke zurückzuziehen, doch dann schien alles perfekt zu sein. Er war selbst verblüfft, wie gut sich der Ort für einen Hinterhalt eignete. Noch eine Stunde zuvor hatte er Narik geraten, den Kampfschauplatz in ein anderes Viertel zu verlegen. Noch immer sah er in Gedanken Senethas erzürnten Blick, als er zu dem blinden Mann gesagt hatte: »Man scheißt nicht an dem Ort, an dem man isst.« Senetha hätte sich wahrscheinlich gewählter ausgedrückt, aber Narik hatte ihn trotzdem verstanden.
    Doch jetzt, wo alles organisiert war und jeder seinen Platz gefunden hatte, musste Dorn zugeben, dass es nahezu perfekt war. Ein Drittel der Entscheidung über den Ausgang einer Schlacht machten die Vorbereitungen aus. Ein weiteres Drittel stand für das Überraschungsmoment, und das letzte Drittel bestand einfach darin, sich nicht töten zu lassen. Wobei Dorn das letzte Drittel persönlich immer am wichtigsten gewesen war.
    Als der Trupp Regorianer von der Hauptstraße in die Sackgasse einbog, bot sich den Glaubenskriegern eine fast idyllische Kulisse. Ein schmächtiger Junge kraulte einem Maulesel den Hals und fütterte ihn mit Stroh, das er dem Tier hinhielt. Drei Männer saßen am Eingang eines Hauses um einen kleinen Tisch herum und spielten Karten. Zwei kräftige Waschfrauen schrubbten in Bottichen mit schäumendem Wasser Bettbezüge. Zwei Händler sortierten die Auslagen vor ihrem Geschäft neu und wägten ab, welche Kisten sie nach vorn holen und welche sie weiter hinten stapeln sollten. Um die Szenerie abzurunden, saß vor dem Eingang zur Schenke ein kräftiger junger Mann, der offensichtlich zu tief ins Glas geschaut hatte, während seine mehr als üppige Freundin versuchte, ihn auf die Beine zu hieven.
    Dorn staunte erneut, wie gut jeder seine Rolle spielte. Sobald der Trupp Regorianer an jemandem vorbeikam, wechselte dessen Miene zu ängstlich und verunsichert. Keiner rannte vorschnell weg, griff nach seiner Waffe oder spuckte vor den Glaubenskriegern aus. Sie waren die ängstlichen Schafe, die von dem Hirtenhund umrundet wurden. Kein Söldner hätte jemals diese Untertänigkeit überzeugender spielen können, er selbst eingeschlossen.
    Dorn überkam ein ungutes Gefühl. Warum hatten die Regorianer den Trupp aufgestockt? Warum wurden sie von zwei Berittenen begleitet? Hatten sie Wind von ihrem Hinterhalt bekommen? Hatte sie jemand verraten?
    Auf keine dieser Fragen würde er eine Antwort bekommen, bevor das erste Blut im Rinnstein der Straße versickert war. Doch wenn ihr geplanter Hinterhalt tatsächlich zu einer Falle für sie selbst werden sollte, würde mehr Blut fließen, als ein Rinnstein fassen konnte. Und es

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