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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Neupflanzungen möglich waren, und Bäume kennzeichnen, die schlecht gewachsen waren und gefällt werden sollten. Dabei konnte er ihr so gut wie nichts recht machen, bestenfalls ignorierte sie seine schnelle und gute Arbeit und gab ein leidlich zufriedenes Seufzen von sich, meistens jedoch fand sie irgendetwas, an dem sie herumquengeln konnte.
    Und Senji schwieg.
    Was er abends machte, wusste sie nicht – und wusste es doch. Sie sah ihn nicht im Garten oder auf dem Gelände, aber nach Einbruch der Dunkelheit drang Moanas Lachen bis zu ihr herüber, das zweifellos ihm galt. Morgens war er der erste Arbeiter auf der Plantage, was ebenfalls darauf hinwies, dass er die Nacht in Moanas Wohnung verbracht hatte.

    Ili rechnete mit dem Schlimmsten. Sie war neidisch auf Moana, neidisch darauf, dass ihre Cousine alles bekommen würde, was sie sich je gewünscht hatte: Sie war taupou geworden, wohlhabend, sie bekam einen Mann. Und Ili bekam nichts. Sie arbeitete von früh bis spät, hatte nicht einen einzigen Menschen bei sich und wurde weder bewundert noch begehrt, noch machte man ihr Komplimente. Ihre Mutter hatte ihr einmal gesagt, dass sie den Weg beschreiten solle, den sie wolle, und nicht den, den andere wollten. Aber das Problem war, dass sie nicht wusste, was sie wollte.
    Am letzten der zehn Tage – Ili war inzwischen unausstehlich geworden, auch für sich selbst – kam Moana auf der Suche nach Senji in die Plantage.
    »Da seid ihr ja!«, rief sie und legte ihren Arm auf Senjis Schulter. »Ich habe dir etwas zu sagen, Ili. Senji und ich sind verlobt. Wir werden heiraten, und zwar schon nächsten Monat.«
    »Oh, das ist … wirklich wunderbar. Ich gratuliere.«
    Sie wollte gehen, doch Moana rief sie zurück. »Da ist noch etwas, Ili. Es war Senjis Vorschlag, dass du meine Trauzeugin wirst.«
    »Ich?«
    »Siehst du hier sonst noch jemanden, der Ili heißt? Natürlich du! Als letzte Verwandte sozusagen. Ist doch nicht abwegig, oder?«
    »Normalerweise nicht. Ich dachte nur … Wir beide hatten es in den letzten Jahren nicht immer leicht miteinander.«
    »Das ist jetzt vorbei«, sagte Moana, als erlasse sie gerade ein Gesetz. »Vergeben und vergessen.« Sie tätschelte Ilis Hand. »Dann ist es abgemacht, ja? Oh, bitte, lasst euch bei der Arbeit nicht stören, ich gehe schon wieder.«
    Da stand Ili mit ihrem künftigen Schwager, dem Mann, dem bald die Hälfte des Besitzes gehören würde und den
sie eben noch wie einen Pflugochsen behandelt hatte. Reue und Trotz lagen in ihr im Wettstreit, und unentschlossen, welches Gefühl siegen würde, blickte sie in Senjis dunkle, mandelförmige Augen.
    »Wenn Sie gestatten«, sagte er umständlich und freundlich, »dann schlage ich vor, dass wir jetzt eine Tasse kava trinken.«
     
    Mit den Neuseeländern war der Tee nach Samoa gekommen. Nicht alle mochten ihn, vor allem in den abgelegenen Regionen im Westen Savaiis und im Osten Upolus lehnte man ihn ab, aber Ili schmeckte Tee. Er war billig, und nach einem harten Arbeitstag war es einfacher, einen Tee aufzubrühen, als mühsam eine Kavawurzel zu zerstampfen und die Fasern mittels eines Bastbündels aus dem Saft zu fischen.
    Ili hatte schon tausendmal Tee zubereitet, doch an diesem Tag ging alles schief. Weil sie Senjis Blicke auf ihren Händen spürte, war sie abgelenkt und nahm doppelt so viel wie normalerweise. Sie versuchte, einen Teil der getrockneten Teeblätter mit einem Löffel aus dem Tuchsieb zu holen, was ziemlich dumm aussah, und deshalb schüttete sie den Tee einfach aus dem Fenster. Im nächsten Versuch warf sie die Teedose um, und das war der Moment, als Senji ihr sacht die Utensilien aus der Hand nahm und sagte: »Gestatten Sie, dass ich das für Sie mache?«
    So wird die Zukunft aussehen, dachte sie. Genau so. Senji wird mir höflich und mit einer Verbeugung die Geschäfte aus der Hand nehmen. Er wird die Arbeiter anheuern, den Beginn der Ernte bestimmen, die Verträge mit den Kaufleuten aushandeln. Er wird all das tun, was ich bisher getan habe, was mein Leben verhinderte, was mein Leben war. Er wird mir mein Leben wegnehmen. Und dabei wird er auch noch lächeln, so wie jetzt.

    »Wissen Sie«, erzählte er, während er mit sicherer Hand den Tee zubereitete, »in Japan ist Tee kein Getränk, sondern eine Kunst. Als ich noch ein kleiner Junge war, gab mein Vater mir Unterricht darin, Tee zuzubereiten. Überhaupt lehrte er mich alle alten japanischen Traditionen, einschließlich des Umgangs mit dem

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