Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
Vom Netzwerk:
Samurai-Schwert. Vermutlich wusste er schon damals, dass er nicht mehr bleiben würde, bis ich erwachsen war. Ich war zwölf Jahre alt, da tätschelte er mir den Kopf und verabschiedete sich für immer.«
    Senji blickte in die dampfende Kanne und fuhr fort: »Er hinterließ meiner Mutter einen ansehnlichen Geldbetrag, aber er hinterließ ihr nicht das Wissen, wie damit umzugehen sei. Sie vertraute das Geld Menschen an, die es ihr stahlen. Das Geld war eine Belohnung für ihre Liebe und Treue, verstehen Sie, und diese Leute nahmen es ihr einfach weg.«
    »Das kommt mir sehr bekannt vor«, sagte Ili, die plötzlich darauf brannte, Moana einen Seitenhieb zu versetzen.
    »Susu mai« , ging er sofort darauf ein. »Hören Sie! Ich habe erfahren, wie es zu Ihrer beider Feindschaft gekommen ist.«
    »Von Moana? Da kann ich mir schon vorstellen, dass meine Eltern nicht gut abgeschnitten haben.«
    »Nicht nur von ihr«, berichtigte Senji. »Von vielen. Menschen aus den Dörfern, Arbeitern. Daher weiß ich, dass Ihrer Mutter und Ihnen Unrecht widerfahren ist, Ili. Aber manchmal kann man einen Weg nicht zurückgehen auf der Suche nach der Abzweigung, die man verpasst hat, das würde zu viel Kraft und zu viel Ruhe kosten. Also geht man besser den Weg weiter, auf der Suche nach einer neuen Abzweigung. Gehen Sie nicht zurück, Ili! Hadern Sie nicht! Gehen Sie weiter! Versuchen Sie, eine Gemeinschaft mit Moana zu finden.«

    Ili, die dringend etwas mit ihren Händen tun musste, kehrte die Teeblätter auf dem Boden zusammen.
    »Ach, ich vergaß«, sagte sie höhnisch, »Moana ist ja ›ein guter Mensch‹, nicht wahr?«
    Senji goss sehr langsam den Tee in große Schalen, und seine leise Stimme mischte sich mit dem Plätschern der mahagonifarbenen Flüssigkeit.
    »Sie hat mir das Geld gegeben, das meine Mutter braucht, um zu überleben. Am dritten Tag, nachdem ich hier zu arbeiten angefangen habe, hatte Ihre Cousine die Freundlichkeit, mich anzusprechen. In den Pausen redeten wir, und als sie erfuhr, dass meine Mutter krank war und kein Arzt auf Samoa ihr helfen konnte, gab sie mir das Geld für die Behandlung in Sydney.«
    »Das ist … Ich wusste ja nicht … Geht es ihr besser?«
    »Sie ist noch in Australien. Ich bete jeden Tage für sie.« Senji ging zum Fenster und blickte hinaus. »Haben Sie eine Ahnung, warum Moana das getan hat?«
    Ili zuckte mit den Schultern. »Vermutlich, weil sie weiß, dass ein Halbjapaner ohne Zugehörigkeit zu einer Großfamilie keine Einschränkung ihrer Freiheit bedeutet, wenn sie ihn zum Mann nimmt. Sie müsste nichts aufgeben. Und allein wird es ihr zu langweilig.«
    »Sie sehen immer nur das Schlechte in ihr.«
    »Weil ich nichts Gutes von ihr kennen gelernt habe.«
    »Sie sehen überhaupt nur das Schlechte. Im besten Fall sehen Sie über die Dinge hinweg und durch die Menschen hindurch.«
    Sie warf den zusammengekehrten Tee durch das Fenster.
    »Unsinn! Wirklich, ich weiß nicht, was das heißen soll.«
    Seine ruhige, gelassene Miene hellte sich kurz auf. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
    »Was?«

    »Nicht jetzt. Kommen Sie morgen vor Sonnenaufgang in die Plantage.«
    »Aber …«
    »Nichts mehr sagen. Jetzt trinken wir Tee.«
     
    Wie verabredet ging Ili am nächsten Morgen in die Papayas. Sie wusste nicht, wozu dieses Treffen gut sein sollte, aber seltsamerweise freute sie sich darauf. Eigentlich war Werktag, und in einer Stunde würden die Arbeiter kommen, dennoch hatte sie sich die Haare in Blütenwasser gewaschen und statt des gedeckten, graublauen Tuchs ein hellgrünes Kleid angezogen, das sie sich vor einigen Jahren selbst zu Weihnachten geschenkt hatte, ohne es je zu tragen. Sogar eine Hibiskusblüte hatte sie sich ins Haar gesteckt, was sie zuletzt vor einer halben Ewigkeit gemacht hatte, doch im letzten Moment, bevor sie die Pflanzung betrat, warf sie die rote Blume weg.
    Senji, an einen Stamm gelehnt, wartete bereits. Als sie im Halbdunkel vor ihm stand, bemerkte sie zum ersten Mal, dass seine teichstillen Augen sowohl Heiterkeit als auch Traurigkeit in sich bargen und dass sein schmales Gesicht etwas Melancholisches hatte.
    Er berührte kurz ihren Arm und sagte: »Afio mai . Guten Morgen.«
    »Guten Morgen.« Sie stand da wie ein Mädchen, das auf ein Kompliment über sein Kleid hofft.
    »Wir müssen noch etwas warten«, flüsterte er stattdessen.
    Ili fragte sich, ob Moana von dieser Begegnung wusste oder ob Senji sie im Unklaren gelassen hatte. Sie hoffte Letzteres. Sie

Weitere Kostenlose Bücher