Der Duft der Mondblume
Negativen sah Catherine helles Sonnenlicht, saphirblaues Meer und üppiges Grün, braune Kinderkörper und PJ s tiefblaue Augen, die blitzten, wenn er lächelte.
»Ich hab’s vielleicht ein bisschen übertrieben«, sagte sie, als sie die Abzüge auf Vince’ Schreibtisch ausbreitete. »Irgendwie schien alles, was ich gesehen habe, ein Foto wert zu sein.«
Er begutachtete die Bilder. »Die sind phantastisch, Catherine. Etwas ganz anderes als diese Postkartenansichten von Kauai, die man überall sieht. Natürlich werden Sie jeweils etwas dazu schreiben müssen. Wir machen ein paar Fotostrecken daraus. Sind die Leute auf den Bildern damit einverstanden?«
»Das haben sie gesagt. Sie finden sie also gut?«
»Manche sind sogar sehr gut. Das Wesentliche aber ist, alle sind interessant. Anders. Großartige Porträts. Saubere Arbeit. Welche sollen wir zuerst veröffentlichen?«
»Ich weiß nicht, Vince. Entscheiden Sie.«
»Lassen Sie mir ein bisschen Zeit zum Überlegen. Ich sag Ihnen dann Bescheid, damit Sie anfangen können zu schreiben.«
Am nächsten Morgen nahm Catherine die Abzüge mit und zeigte sie Lester.
»Ich hab dich vermisst, junge Dame. Wie war es auf Kauai? Hast du Kiann’es Mutter besucht?«
»Ja, habe ich. Und ich hab auch ein paar Surfer getroffen. Damien aus Australien. Und PJ .«
»Wo denn?«
»Bei Pinetrees.«
»Und Eleanor?«
»Natürlich.«
»Sie könnte mich ruhig auch mal besuchen«, grummelte er.
»Ich habe ihr die Bilder gezeigt, die ich von dir und PJ gemacht habe. Sie war sehr beeindruckt, wie gut du aussiehst.«
»Ach ja?« Das schien ihn zu freuen, und Catherine musste über seine Eitelkeit schmunzeln.
»Was hast du so getrieben?«
»Dasselbe wie immer, stets der gleiche Trott. Kiann’e war immer nur kurz hier. Sie ist sehr beschäftigt. Hat keine Zeit, einen alten Mann durch die Gegend zu kutschieren.«
»Ich könnte dich ja irgendwohin fahren, Lester. Ehrlich gesagt habe ich gerade nicht sonderlich viel zu tun. Wo möchtest du denn gerne hin? Ich kann dich zwar nicht ins Wasser führen, aber wir könnten die Küstenstraße entlangfahren. Vielleicht zu ein paar Stellen, die ich noch nicht kenne? Wir könnten ja auch irgendwo ein Picknick machen, wie wäre das?«
Der alte Mann schien besänftigt. »Das ist ein sehr nettes Angebot. Aber was hast du da in der Hand?«
»Das sind ein paar Bilder, die ich auf Kauai gemacht habe. Ich dachte, vielleicht möchtest du einen Blick darauf werfen. Ich setz inzwischen Kaffee auf.«
Als sie mit einem Tablett mit Tassen, Zucker und seinen Lieblingskeksen zurückkam, starrte Lester mit abwesendem Blick aus dem Fenster. Die Fotos lagen in seinem Schoß.
Catherine goss Kaffee ein, gab Zucker dazu und rührte um, dann stellte sie ihm die Tasse hin. »Wie findest du sie?« Als er nicht antwortete, berührte sie sacht seine Hand. »Alles in Ordnung? Hier ist dein Kaffee.«
Lester blinzelte und nahm den Becher, den sie ihm reichte.
»Rufen sie bei dir Erinnerungen wach?«
»Ja und nein. Ich war nie sehr gesellig. Du hast dich wohl gut amüsiert. Kennst du all diese Leute?«
»Nur flüchtig. Aber sie waren sehr gastfreundlich. Sehr nette Frauen und reizende Kinder, aber doch ein ganz anderer Lebensstil, als ich es gewohnt bin. So etwas habe ich noch nie gesehen.«
Lester blickte sie sinnend an. »Lebensentwürfe ändern sich. Man selbst verändert sich.« Er hielt inne. »Oder auch nicht. Und man macht weiter wie bisher«, fügte er geheimnisvoll hinzu.
Noch einmal sah er sich die Bilder an, dann hob er eins hoch, auf dem Damien über einen Wellenkamm glitt. »Kein schlechter Ritt. Ich bin zu meiner Zeit auf Kauai ein paarmal selbst die Tunnels und Cannons abgeritten. Damals hießen sie allerdings noch nicht so. Kaum jemand kam dorthin außer ein paar Einheimischen.«
»Lester, wir machen eine Spritztour. Vielleicht kommt Kiann’e ja mit.«
Am späten Nachmittag rief Kiann’e bei Catherine an. »Willi hat heute Abend eine Besprechung. Soll ich was zu essen mitbringen, oder möchtest du lieber ausgehen?«
»Komm her, das wird toll. Sag mir, was ich besorgen soll. Wein auf jeden Fall«, meinte Catherine. »Mir ist sehr nach einem gemütlichen Essen zu Hause.«
»Ich bring Lau-lau mit … Tante Lani hat es gemacht, eine besondere Spezialität. Schwein und Butterfisch im Ti-Blatt. Dazu Reis.«
»Dann kaufe ich noch Eis zum Nachtisch.«
Nach dem Essen machten es sich die beiden jungen Frauen auf dem Sofa bequem, kratzten
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