Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)

Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
Vom Netzwerk:
Kraft aus den Knochen saugte.
    »Wir sind noch nicht mal an der spanischen Küste. Reißt euch gefälligst zusammen! Am Kap der Guten Hoffnung macht das Kotzen viel mehr Spaß«, hieß es wenig später.Der Kesselkerl lachte und hielt seine Fackel in die Höhe. »Mann, hier stinkt’s schlimmer als in einem Viehstall …« Und sie beeilten sich noch mehr, ihr Essen zu verteilen und die Luke hinter sich zu schließen.
    Penelope schob sich gierig den Brei in den Mund, der ein wenig würziger schmeckte. Sogar ein Stück Fleisch fand sie in ihrem Napf.
    »Sie sagen, es sei ein Doktor an Bord«, meinte Carrie neben ihr.
    »Zwei Doktoren«, sagte eine, die vorne an der Stiege ihren Schlafplatz hatte und immer alles wusste.
    »Vielleicht kochen die ja jetzt zusammen.« Carries Lachen misslang, dann fiel ihr der Napf aus den Händen, und sie erbrach, was sie gerade heruntergeschlungen hatte.
    Penelope wandte sich ab. Manchmal spähte sie durch die Ritze in der Bordwand. Wenn Licht auf ihr entwöhntes Auge traf, half das ein wenig gegen die Übelkeit. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie es ohne das flaue Gefühl im Magen gewesen war.
    »Wie lange dauert diese Reise noch?«, flüsterte Penelope durch die Ritze. Sie dachte an Liam, an seine irischen Augen und an die Freiheit, die sie in ihm gespürt hatte, und an den Mann, der ihr Vater gewesen war und der auch auf so einem Schiff gewesen war.
    »Eeewig«, gluckerte das Wasser, »so eeeewig wie die Wellen, Wellen, Wellen …«
    Und auf den Wangen vermischten sich Tränen mit dem feinen Sprühnebel aus dem Meer, der durch die Ritzen in den Planken drang. Salz legte sich wie eine Maske über ihr Gesicht und warf schließlich seine Kruste auch über ihr Herz. In Stunden tiefster Verzweiflung war ihr, als strichen Finger über die Krusten, als formten zwei Hände einen weichenKorb für das Herz. Der Vater war immer schon bei ihr gewesen, wenn sie sich im Dunkeln fürchtete. Hier unter Deck war er ihr besonders nah – er hatte in denselben Ketten gelegen, und er hatte sie überlebt. Sie würde auch überleben …
    Doch schlug sie die Augen auf, war da niemand in der Dunkelheit. Der Vater nicht, und auch die Erinnerung an Liam verblasste zusehends, machte der Erkenntnis Platz, dass er ihre Lust nur benutzt hatte. Die Mutter hatte ihr Lager wohl ganz in ihrer Nähe, doch gab sie keinen Laut von sich. Und Penelope wagte nicht, nach ihr zu rufen.
    »Lebst du noch?«, fragte Jenny von Zeit zu Zeit, und jedes Mal lachte sie ihr leises irres Lachen.
    »Warum fragst du?«, gab Penelope einmal zurück.
    »Na, ich dachte, es wäre gut, zu wissen, ob der Nachbar noch lebt und seine Ration essen kann. Es mag der Tag kommen, an dem du vielleicht meine Ration nehmen wirst, Mädchen. Und du wirst niemandem davon sagen, weil du Hunger hast.«
    Penelope streckte ihre Hand nach ihr aus. »Das würde ich nie tun, Jenny.« Kaum hatte sie es ausgesprochen, schämte sie sich der Lüge, weil sie fürchtete, dass Jenny möglicherweise recht behalten würde. Schon jetzt stritten sie sich um aus dem Sack gefallene Brotkanten. Doch noch lebten alle, die vom Kahn der Hoffnungslosigkeit auf dieses Schiff gekommen waren.
    »Deiner Mutter geht es gut«, bestätigte Carrie nach jedem Essenstritt, denn Mary lag neben ihr.
    Penelopes Hände wanderten beruhigt auf ihren Bauch – der beste Ort für ihre Hände, weil sie dort auf eigenartige Weise zur Ruhe kamen.
    Ein paar Tage später wurde die Luke nicht für die Essensausgabegeöffnet. Zwei Männer hatten lediglich einen Schlüssel bei sich, und kurz darauf rasselten unter ohrenbetäubendem Lärm die Ketten durch die Hand- und Fußschellen der Frauen. Sie waren frei …
    »Raus mit euch, marsch!«, dröhnte der eine Aufseher. »An die Luft! Vorwärts mit euren Hurenärschen! Bewegt euch, wenn ihr hier nicht verfaulen wollt!«
    Es dauerte eine Weile, bis sie alle an Deck gelangt waren. Mary begriff, dass Drängeln einen nicht schneller voranbrachte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, die Stufen zu erklimmen. Wie alle anderen Frauen musste auch sie sich festhalten und kroch mehr an Deck, als dass sie ging. Sie waren einfach zu schwach; die Knie versagten ihnen den Dienst, als wären sie aus Pergament.
    »Allmächtiger«, stöhnte Carrie hinter ihr, »die Sonne – die Sonne!« Schluchzend vor Erschütterung brach sie zusammen. Einer der Aufseher eilte herbei und hieb erst mit der Peitsche neben ihr auf die Planken. Als sie sich nicht bewegte, drosch er

Weitere Kostenlose Bücher