Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga
Malz geweichtes Kraut für jeden, und zusammen mit dem Doktor überwachte Mary, dass sich in der Kiste mit den Zitronen keine Feuchtigkeit sammelte, die die Früchte vorzeitig rotten ließ. Immer noch plagte die Gefangenen Zahnfleischbluten, immer noch eiterten unversorgte Wunden, immer noch schissen manche sich die Seele aus dem Leib, doch erkrankten keine weiteren an der verfluchten Seegeißel Skorbut, wie Kreuz den neuen Kapitän triumphierend wissen ließ.
»Den Feind, den man kennt, kann man auch bekämpfen«, sagte er und straffte sich so, dass man ihm den langen Militärdienst tatsächlich glaubte.
Routine warf ihren Mantel über die Miracle. Nachts schliefen die Gefangenen unter Deck auf ihren Matratzen, tagsüber saßen sie an Deck, marschierten unter Bewachung vorgegebene Runden, aßen, sangen, plauderten. Tanzenwar verboten, zu groß war die Gefahr der offenen Hurerei. Jedermann wusste jedoch, dass die Weiber es in den Ecken trieben und dass der Handel mit Rum, Silberknöpfen und Löffeln in den Kammern der Offiziere florierte, wo die Durchtriebensten der Frauen Wasch- und Putzdienste verrichteten und an ihren goldenen Pässen arbeiteten, wie Jenny abfällig meinte. Der neue Kapitän ließ seine Wäsche von einem blonden jungen Fälscher waschen, der dafür von seinen Mitgefangenen gehänselt wurde. Über seine Dienste verlor er kein Wort, doch allen fiel auf, wie wohlgenährt der Junge schon nach kurzer Zeit aussah.
»Du musst den Schwanz auch füttern, der es dir gut besorgt.« Die wissenden Weiber grinsten. »Eine Hand seift die andere, das war schon immer so.«
Manchmal hatte Penelope das Gefühl, dass der Doktor zu ihr herüberspähte. Ob er wollte, dass sie sich einen goldenen Pass verdiente? Sie konnte seine Blicke nicht deuten, und gewiss bildete sie sich alles nur ein, sein sonnenverbranntes Gesicht war ja ein konturloser roter Kreis vor der Tür zur Offiziersmesse. So, wie sie ihn kaum erkennen konnte, verschwamm auch alles andere in ihrer kleinen Welt neben dem Takelagehaufen hinter der Kochhütte, wo Mary dank ihrer Macht als Gefangenenköchin den besten Platz für sie reserviert hatte. Die Wolken wirkten wie ein grauer Brei, und die Seevögel waren düstere Schatten, die bedrohlich langsam um die Masten kreisten und kreischend auf das warteten, was an Müll über Bord fiel.
Manchmal gelang es, so einen Vogel zu fangen, wenn er zu dreist war und sich an Deck niederließ. Sie waren alle gierig nach dem Fleisch der Vögel. Aus den Vogelknochen schnitzten die Männer Nadeln und Löffel, die sie in den langen Stunden an Deck verzierten und gegen Holzknöpfeoder einen Becher Rum tauschten – oder gegen Geld, welches auf unerfindliche Weise unter den eigentlich besitzlosen Gefangenen kursierte.
Es gab ein Alltagsleben auf dem Schiff, mit Frühstück, Arbeit, Pausen und Zubettgehen, mit Sonntagen und Predigten aus dem Mund eines kleinen, bleichen Kaplans, den wohl der Zufall auf das Schiff verschlagen hatte, oder eine betrunkene Nacht im Hafen von Portsmouth, denn er verbrachte die meiste Zeit wie Dr. Reid krank in seiner Kajüte. Manchmal hörte er sich Beichten an, wobei ihm immer die Ohren knallrot anliefen. Vielleicht war er gar kein Priester, feixten die Weiber, dass ihn das Gehörte so entsetzte. Oder er war ein Heiliger, der überhaupt nicht verstand, was man ihm beichtete. Hatte man ihn gesehen, vergaß man ihn sogleich wieder, seine Predigten vergingen im Rauschen des Windes.
Was hielt Penelope aufrecht? Sie glaubte nicht daran, dass Gott ihr Schicksal lenkte. In den dunklen Stunden unter Deck verlieh ihr das Wissen um den Vater, der all dies überlebt hatte, Kraft und Stärke. Er sprach ihr jede Nacht Mut zu, er würde ihre Hand nehmen und sie an Land führen. Der Vater hatte diese Reise überlebt, und sie würde auch überleben. Und wenn sie das Schiff erst verlassen hatten, würden sie sich auf die Suche nach dem Vater machen. Das neue Land würde alles verändern. Sie erinnerte sich an das Gespräch mit dem Doktor.
War das als Ziel genug?
Das Kind verursachte ihr zunehmend Schmerzen. Mit Armen und Beinen kämpfte es darum, sich aus der Enge in ihrem Bauch zu befreien. Penelope versuchte all das zu ertragen. Aus dem Kettenlager wusste sie, wie aussichtslos der Kampf gegen ein enges Gefängnis war. Sie hielt stillund ließ es kämpfen, doch Mary befürchtete das Schlimmste für die Geburt. Sie hatte es ja geahnt. Das Mädchen war zu schwach, obwohl sie ihr in den letzten Tagen
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