Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga
besonders viel Fleisch in den Napf geschmuggelt hatte. Als die ersten Wehen Tränen in Penelopes Augen trieben, verließ Mary das Kochzelt, übergab ihre Arbeit an andere und holte den deutschen Doktor aus seiner Kajüte.
»Was tut er hier?«, keuchte Penelope, nachdem ihre Mutter mit dem Arzt zurückgekehrt war. Ihre Fäuste klopften auf den Bauch, wohl damit der Schmerz aufhörte.
Mary zog die Fäuste weg. »Lass das!«
»Du hast noch nie einen Doktor –«
»Dann ist es eben das erste Mal«, unterbrach Mary sie. »Und es geht dich nichts an, wie ich meine Arbeit mache oder wen ich sie machen lasse.«
Kreuz zog die Brauen in die Höhe, als sie ihm eröffnete, wo sie ihren Beruf gelernt hatte. Sie erzählte ihm nicht, was sie in Wahrheit gearbeitet hatte, vermutlich wusste er es ohnehin. Als sie mit ihrem kurzen Bericht geendet hatte, nickte er langsam. »Ich verstehe, warum du es nicht selber tun willst. Ich würde … ich hätte, ich …« Er verstummte. Was auch immer er hatte sagen wollen, Mary gab ihm wortlos zu verstehen, dass er diese Geburt begleiten würde. Ganz gleich, wie viel ihm an Penelope lag. Und es lag ihm etwas an ihr, das war nicht zu übersehen. Doch er blieb sachlich, lauschte ihrer Einschätzung und holte dann seine Tasche, um ihren metallisch klappernden Inhalt neben Penelope auszubreiten.
»Nein«, keuchte Penelope, »geh weg! Weg mit deinen Messern!« Und mit einer Kraft, die sie eigentlich für ihr Kind hätte bewahren müssen, versuchte sie sich aufzubäumen und den Doktor mit bloßen Händen zu vertreiben. Zudritt packten sie ihre Arme und zwangen sie auf ihr Lager zurück, und Penelope sank weinend in sich zusammen. Mary nahm sie in die Arme. Sie hatte große Mühe, ihren Unmut über die Schwäche ihrer eigenen Tochter zu verbergen.
»Hör mir gut zu, ich sag dir das nur einmal«, knurrte sie. »Deine Dummheit und meine Ungeschicklichkeit haben uns auf dieses Schiff gebracht. Deine Dummheit hat dich dick gemacht. Du wirst dieses Kind so zur Welt bringen, wie ich das für richtig halte, und den Mund halten.« Sie fürchtete sich davor, dass Penelope erkennen könnte, dass sie ihren eigenen, einst so kundigen Händen nicht mehr vertraute. Deshalb wiederholte sie barsch: »Du wirst verdammt noch mal den Mund halten.«
Die alte Jenny spannte den Leinwandfetzen so, dass er die Sonne aus Penelopes Gesicht fernhielt. Seit Tagen drückte gnadenlose Hitze die Menschen nieder, und selbst der Wind war nur eine heiße Hand auf dem Nacken. Die Wehen zogen sich endlos hin, strichen durch ihren Körper wie ein Band aus Hitze. Penelope nahm die Pausen zwischen den Wehen kaum wahr. Kühle Hände, Zuspruch, Wasser halfen kaum, weil sie sich dem Schmerz ergab, wie sie sich den Ketten ergeben hatte, bis selbst Jenny kopfschüttelnd flüsterte, sie sei wohl die erste Frau, die nicht den Willen besaß, ihr Kind zur Welt zu bringen.
Sie mussten es aus ihrem Leib herausziehen, als es so weit war. Nicht einmal die Wangenstreiche ihrer Mutter brachten Penelope dazu, die Wehen mutig zu ertragen. Der Doktor fackelte schließlich nicht lange. Ein letztes Mal ließ er seine Finger in sie hineingleiten und strich mit der anderen Hand über ihren zuckenden Bauch.
»Wenn es da ist, bekommt alles einen Sinn. Wirst sehen. Sei tapfer nun.« Seine Worte wehten zu ihr herüber. Er lächelte. Penelope schloss die Augen, ergriff seine Hand. Er hielt sie lange gedrückt und gab ihr all seine Zuversicht. Dann blitzte eine Metallzange in der Sonne. Penelope versuchte zu schreien. Ihre Mutter und Jenny hielten sie fest, während Bernhard Kreuz die Zange mit Fett bestrich und in ihrem Leib versenkte.
Die Ketten zerrissen.
Sie zersprangen in tausend Stücke, als die helfende Hand das Kind ergriff und festhielt. Die Hand hielt es sorgsam umfasst und zog es mit freundlichem Nachdruck im Rhythmus der Wehen aus ihr heraus. Mary und Bernhard wussten beide, was zu tun war, und in den Sekunden, da Penelope ihre Augen öffnete, erkannte sie ein konzentriertes, ruhiges Gesicht hinter ihrer Mutter, die sich quer über ihren Bauch gelegt hatte, um das Kind herunterzudrücken. War es Kreuz? Oder war es das vertraute Gesicht aus ihrer Vorstellung, das die Angst nachts fernhielt? Mit Blicken klammerte sie sich an seinen Zügen fest und begriff endlich, was ihre Aufgabe war. Bei den letzten Wehen fand Penelope auch den Mut und die Kraft, mitzuarbeiten, und konnte im Takt der Wehen atmen. Sie gab das Kind in die Hände des Doktors.
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