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Der Duft der Rose

Der Duft der Rose

Titel: Der Duft der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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mir. Was sollte er ihr verzeihen? Dass sie weggelaufen war? Dass sie ihm nichts gesagt hatte? Dass sie keine Vorsorge getroffen hatte, um zu verhindern, dass sie ein Kind bekam?
    Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, doch der Schmerz, den er beim Anblick der Wiege empfand, war zu mächtig, um einer anderen Empfindung Raum zu lassen.
    Der Herzog trat neben ihn. »Ihr braucht Euch keine Gedanken zu machen, Monsieur Levec. Den beiden steht eine glanzvolle Zukunft bevor. Der Ältere wird einmal der Graf von Plessis-Fertoc sein, und der Jüngere wird mein Erbe antreten.«
    »Sie sind Bastarde, nichts weiter«, sagte Nicholas dumpf. Erst dann sicherten die Worte des Herzogs in seinen Verstand. Ein Erbe für den Grafen und ein Erbe für den Herzog. Die Mosaiksteinchen formten sich zu einem Bild, das in seiner gnadenlosen Klarheit keinen Zweifel mehr an dem Grund für Ghislaines Worte ließ.
    Sie hatte ihn benutzt. Es war kein Zufall, dass sie schwanger geworden war. Vor seinem inneren Auge entstand die Szene, als sie zum ersten Mal im Verwalterhaus erschienen war. Jedes Wort, jede Geste nichts als reine, pure Berechnung. Er war nicht ihr Liebhaber gewesen, sondern nur ein allzu williger Zuchthengst, um Erben für Titel und Besitz zu liefern. Einer, der keinen Ärger machen würde, weil er weder die Mittel noch die Möglichkeiten dazu besaß.
    Etwas in ihm starb. Langsam drehte er sich um und ging zum Bett zurück. »Madame du Plessis-Fertoc, ich freue mich, dass ich zu Diensten sein konnte.« Mit diesen Worten drehte er sich auf dem Absatz um und verließ den Raum.
    Er war noch nicht weit gekommen, als ihn jemand an der Schulter packte. »So werdet Ihr nicht gehen, Monsieur Levec.«
    Nicholas schüttelte die Hand des Herzogs ab und blickte ihn an. »Nein? Und warum nicht? Meine Rolle in diesem geschmacklosen Stück ist beendet!«
    »Wir wissen nicht, ob sie die Nacht überleben wird. Sie hat viel Blut verloren, und sie ist sehr schwach.« Er packte Nicholas am Arm. »Sie hat Euch rufen lassen, weil sie dachte, dass sie sterben wird. Das hätte sie nicht getan, wenn ... Ihr ihr nur zu Diensten gewesen wärt, um Eure Worte zu gebrauchen.«
    Nicholas' Wut vernebelte seinen Verstand. Er hörte nur, dass offensichtlich alle hier wussten, was Ghislaine getan hatte. Er konnte sich lebhaft ausmalen, wie sie über ihn gelacht hatten. Der Verwalter, der ins Bett seiner Herrschaft stolperte und zu geil war, um zu merken, was wirklich vorging.
    »Was kümmert es mich, ob sie lebt oder nicht?«, fragte er kalt. »Mein Vertrag geht noch ein paar Monate. Jetzt, da es einen Erben gibt, wird es wohl auch einen Vormund geben, der alles regelt, für den Fall, dass Madame du Plessis-Fertoc sich entschließt zu sterben.«
    Die Wucht, mit der die Faust des Herzogs in sein Gesicht krachte, ließ ihn zurücktaumeln. Instinktiv hob er die Arme, um zurückzuschlagen, aber dann nahm er sie wieder herunter. »Ihr seid die Mühe nicht wert, Herzog. Mit Gesindel wie Euch prügle ich mich nicht.« Er spuckte auf den Boden, drehte sich um und ging davon.
    Diesmal hielt ihn niemand zurück.
    Das Gefühl, wie ein Schattenwesen zu agieren, verließ Nicholas auch in den nächsten Tagen und Wochen nicht. Er fühlte eine unermessliche Leere in sich und wusste nicht, wie er sie füllen sollte.
    Tagsüber tat er seine Arbeit und saß dann noch mit den Arbeitern zusammen, aber irgendwann kam der Zeitpunkt, als er sein Haus betrat und alles wieder auf ihn einstürmte.
    Drei Wochen nach seinem Abgang von Belletoile kam der erste Brief von Ghislaine. Er öffnete ihn nicht, sondern legte ihn in eine Schublade. Aber die Erleichterung, die er empfand, dass sie noch lebte, konnte er nicht in einer Schublade verschließen. Von da an kam alle drei bis vier Tage ein Brief. Nicholas legte sie alle in die Schublade. Nicht einmal zu Weihnachten, als er von der kleinen Feier, die die Bediensteten und Arbeiter ausgerichtet hatten, in sein leeres, kaltes Haus zurückkehrte und sich beinahe um den Verstand trank, öffnete er sie. Er hielt sie in den Händen und strich immer wieder darüber, aber er brachte es nicht über sich, die Siegel zu brechen.
    Am 28. Dezember starb Madelaine Duval, die dreijährige Tochter eines der Arbeiter, an Lungenentzündung. Am Abend dieses Tages setzte sich Nicholas an den Tisch im Verwalterhaus, stellte eine Flasche Schnaps vor sich und legte die Briefe daneben.
    Nachdem der Schnaps heiß und brennend durch seine Kehle geflossen war, öffnete er

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