Der Duft der Rose
Ihr hier ein paar Tage entbehrlich, und ich wage zu behaupten, dass Ihr doch neugierig genug seid, um morgen früh mit mir zurückzureiten.«
Nicholas stützte die Hände in die Hüften. Dass Brasselet mit seinen Worten recht hatte, behagte ihm gar nicht. Deshalb schwieg er.
»Es bleibt also nur die Frage, wo ich schlafen kann.« Der junge Mann lächelte unschuldig, und Nicholas gab sich einen Ruck. »Entweder mit mir im Bett oder allein auf dem Fußboden. Die Wahl überlasse ich Euch. Zieht die nassen Sachen aus, ich hole Euch etwas Trockenes«, brummte er und ging zu einer Truhe.
Am nächsten Morgen hatte sich das Wetter so weit beruhigt, dass sie aufbrechen konnten. Zu Nicholas' Leidwesen waren seinem Begleiter keine weiteren Informationen zu entlocken gewesen. So blieb ihm nichts übrig, als abzuwarten.
In Belletoile angekommen, erkundigte sich Brasselet bei einem der zahlreichen Lakaien nach dem Aufenthaltsort des Herzogs, während sich Nicholas beeindruckt umsah. Er hatte die Schilderungen von Belletoile immer für übertrieben gehalten, aber jetzt begriff er, dass es kaum genug Worte gab, um es wirklich zu beschreiben. Wie schön musste es erst im Sommer sein, wenn der Park in voller Blüte stand.
»Kommt, der Herzog befindet sich im Artemis Salon.« Brasselet stand neben ihm und deutete den Flur entlang. Während er ihm folgte, begann sich ein beklemmendes Gefühl seiner zu bemächtigen. Völlig zu Unrecht, denn Ghislaine weilte in Lyon bei Freunden, das hier hatte bestimmt nichts mit ihr zu tun.
Brasselet öffnete die Tür. Ein Mann in Hemdsärmeln und mit geschorenem Kopf ging in dem kleinen Raum auf und ab. Auf einem zierlichen Stuhl saß eine rothaarige Frau und las in einem Buch. Beide hielten in ihrem Tun inne und blickten ihn an.
Langsam trat Nicholas ein. Unter den Augen des Mannes lagen tiefe Schatten, seine Wangen verrieten, dass er sich mindestens zwei Tage nicht rasiert hatte.
»Monsieur Levec?«
Nicholas nickte.
»Ich bin der Herzog von Mariasse.« Er machte eine Pause und betrachtete Nicholas wie ein lästiges Insekt, ehe er ohne Umschweife hinzufügte: »Ich bin Ghislaines Bruder.«
»Ich weiß.« Die Beklemmung schnürte jetzt seine Brust ein. Die Frau legte ihr Buch zur Seite und stand auf. Ihre Augen waren rotgerändert, als hätte sie lange nicht geschlafen. Oder viel geweint.
Er holte tief Luft. »Was ist mit Ghislaine? Ist sie hier?«
Der Herzog nickte. »Ja. Ich weiß nicht, ob es klug ist, Euch jetzt zu ihr zu bringen. Aber ich weiß auch nicht, ob es klug ist, zu warten. Kommt.«
Nicholas stieg mit dem Herzog die Treppe hinauf. Die Anspannung und die Sorge des Mannes waren unübersehbar. Was konnte Ghislaine nur zugestoßen sein? War sie krank und hatte sich deshalb auf Belletoile geflüchtet? Er hatte Menschen an Lungenentzündung und Schwindsucht dahinsiechen sehen und wünschte es niemandem. Schon gar nicht der lebenshungrigen Ghislaine.
Das Zimmer, dessen Tür der Herzog öffnete, war stickig und überheizt. Ein undefinierbarer Geruch lag in der Luft. Die Vorhänge des Himmelbetts waren alle zurückgezogen und an den Pfosten festgebunden. In den Kissen ruhte eine Frau, und alles andere nahm Nicholas nicht mehr wahr. Wie in Trance trat er an das Bett. Ghislaine sah ihn an. Ihr Gesicht glänzte wächsern, die Lippen waren wundgebissen. Kleine rote Punkte durchsetzten das Weiße in ihren Augen.
Die Macht seiner Gefühle zwang ihn in die Knie. Er tastete nach ihrer Hand. »Ghislaine«, flüsterte er fassungslos. »Was ist geschehen?«
Sie bewegte die Lippen, ohne dass ein Laut zu hören war. Er beugte sich vor, und dann verstand er die beiden Worte. »Verzeih mir.«
Er runzelte die Stirn, wollte etwas sagen, aber dann fiel sein Blick auf die Wiege auf der anderen Seite des Bettes. Alles Blut wich aus seinem Kopf, und er musste darum kämpfen, dass er nicht das Bewusstsein verlor, als er aufstand.
Zwei winzige Säuglinge lagen in der Wiege und schliefen friedlich. Die Gesichter waren gerade so groß wie ein Apfel. Wieder stieg Schwindel in ihm auf. Er konnte es nicht glauben. Unbewusst streckte er den Arm aus, um sich an der Wand abzustützen. Seine Kinder. Alles andere war ausgeschlossen.
Er hatte nie daran gedacht, dass ihre Affäre Folgen haben könnte. Frauen, die sich regelmäßig Liebhaber nahmen, wussten, wie sie es verhindern konnten, ein Kind zu empfangen. Deshalb hatte er sich nicht weiter darum gekümmert. Was natürlich ein Fehler gewesen war.
Verzeih
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