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Der Duft der Rose

Der Duft der Rose

Titel: Der Duft der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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kämpfte, nicht zu weinen, und wie sie versuchte, das abgehackte Schluchzen zu ersticken. Langsam stand er auf und ging zu ihr hinüber. »Ich bin gegen Tränen recht unempfindlich«, log er, denn ihre Verzweiflung nahm ihn mehr mit, als ihm lieb war. »Ihr könnt sie also ruhig fließen lassen.«
    Ihre Schultern bebten, und er zog sie an sich. Tränen durchnässten sein Hemd, während er über ihren Rücken strich. Es war eine seltsame Situation, die ihm seine wahren Gefühle recht eindrucksvoll bewusst machte. Er konnte sie nicht hassen, und er konnte sie auch nicht dafür verachten, was sie getan hatte, denn er kannte sie zu gut und wusste zu viel von ihrem Leben, um nicht ein gewisses Verständnis für ihre Sehnsucht aufzubringen. Wenn sie nur mit ihm gesprochen hätte, vorher, als er noch die Möglichkeit einer Entscheidung gehabt hätte. Aber diese Möglichkeit hatte sie ihm verwehrt, und das kreidete er ihr an.
    »Was werdet Ihr tun?«, murmelte sie undeutlich in sein Hemd.
    Wenn er das wüsste. Sein Stolz und seine Selbstachtung verlangten, dass er sie hocherhobenen Hauptes stehen ließ, aber das brachte er nicht übers Herz.
    »Sie sind Bastarde«, sagte er leise. »Ich habe zwei Söhne, und sie sind Bastarde.«
    Sie hob den Kopf. »Sie werden die Grafen von Plessis-Fertoc sein und einer von ihnen später der Herzog von Mariasse.«
    Er schüttelte den Kopf. Natürlich verstand sie nicht, was er damit meinte. »Aber sie werden niemals meinen Namen tragen.« Er hörte die Bitterkeit in seiner Stimme und riss sich zusammen. »Wie habt Ihr Euch vorgestellt, dass es weitergeht? Wir leben hier alle fröhlich zusammen, Ihr, die Kinder und Jacques im Schloss und ich hier im Verwalterhaus?«
    Sie machte sich los und straffte die Schultern. »Warum nicht? Jacques hat Spielgefährten, wenn sie größer sind. Ihr habt eine Aufgabe, denn niemand könnte sich besser um das alles hier kümmern. Und ...«
    »Und Ihr hast mich«, vollendete er den Satz.
    Ein zögerndes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »So ist es. Und Ihr habt mich. Solche Arrangements sollen schon funktioniert haben.«
    Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß nicht, ob ich das kann.«
    »Mit dem Gerede der Leute fertig werden? Ich lebe seit zwanzig Jahren damit. Sie reden immer, das ist meine Erfahrung, es ...«
    Er unterbrach sie mit einer Handbewegung. »Meine Söhne aufwachsen zu sehen und zu wissen, dass sie mich niemals Vater nennen werden.«
    Sie wurde sehr still, und ihre Schultern sackten nach vorn. Nach einer Weile sagte sie voller Resignation: »Ich kann mir nicht anmaßen, Eure Vergebung zu erbitten. Ich kann nicht ungeschehen machen, was ich getan habe. Ich kann Euch nur darum bitten, mir die Möglichkeit zu geben, es wieder gutzumachen - mit den bescheidenen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen.« Sie ging zu der Bank, auf der ihr Umhang lag und zog ihn wieder an. »Die beiden Kinder sind noch nicht getauft. Ich wollte, dass Ihr ihnen Namen gebt. Natürlich könnt Ihr jederzeit kommen und sie sehen.«
    Bei der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Wie immer Ihr Euch entscheidet, Nicholas, ich werde es akzeptieren. Aber ich will, dass Ihr wisst, dass ich Euch die beiden wichtigsten Dinge meines Lebens verdanke - Ihr habt verhindert, dass ich zur Mörderin wurde, und Ihr habt mir zwei Kinder geschenkt. Dafür stehe ich für immer in Eurer Schuld, und diese Schuld kann ich niemals abtragen.«

23
    Am Morgen nach Ghislaines Abreise hatte Henri Mühe, aus den Federn zu kriechen. Der vergangene Tag war in jeder Hinsicht katastrophal gewesen. Zuerst hatte seine Schwester ihren Kopf durchgesetzt und ihn verlassen, obwohl er sie mit Engelszungen zum Bleiben überreden wollte. Farid war ihm gerade recht gekommen, um ihm eine kurze Ablenkung zu verschaffen und seine finsteren Gedanken zu vertreiben. Dass Vincent ausgerechnet in diesem Moment die Tür des Salons öffnen musste, war mehr als ungelegen gekommen und hatte dazu geführt, dass er später nur mit Müh und Not verhindern konnte, dass Vincent ihm eine peinliche Szene machte.
    Er hasste Szenen. Warum wollte Vincent das nicht verstehen? Mit diesen trüben Gedanken schleppte Henri sich nach dem Frühstück ins Arbeitszimmer und setzte sich an seinen Schreibtisch. Lustlos ging er die Briefe durch und blickte auch nicht auf, als Vincent eintrat.
    Erst als ihm ein gefaltetes Blatt Papier unter die Nase gehalten wurde, hob er den Kopf. Vincent war wie immer mit penibler Akkuratesse

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