Der Duft der Rose
ging zur Tür, ohne noch einmal stehen zu bleiben.
Henri sah ihm nach, sah, wie die Tür ins Schloss fiel und wartete vergeblich darauf, dass sich Erleichterung darüber in ihm ausbreitete, die Oberhand behalten zu haben, indem er Vincent auf seinen Platz verwiesen hatte.
Sophie erblickte Vincent, als er über den Flur ging. Sie beschleunigte ihre Schritte, bis sie neben ihm war. »Wollen wir ausreiten, Vincent? Es verspricht, ein warmer, sonniger Tag zu werden.«
Er blieb stehen. »Ich habe eben meine Stellung gekündigt. Ich werde Belletoile innerhalb der nächsten Stunde verlassen.«
Im ersten Augenblick dachte sie, sie hätte sich verhört. Sie musste völlig verstört aussehen, denn er griff nach ihren Händen und hielt sie fest.
»Alle gehen weg«, murmelte sie mehr zu sich selbst als zu ihm und fügte lauter hinzu: »Warum?«
Er schloss für einen Moment die Augen. »Ich bin am Ende. Mit meiner Kraft, meiner Zuversicht, meiner Liebe. Ich muss gehen, um mich nicht vollkommen zu verlieren.«
Sophie sah ihn an. Seine Züge drückten Verbitterung und Resignation aus. »Er liebt mich, ich weiß es. Aber er kann es nicht zugeben, stattdessen schlägt er um sich und zerstört mit seinen Worten alles, was war. Und ich habe es satt, nichts als sein Sekretär zu sein. Oder derjenige, den er herumkommandieren kann, wie es ihm gefällt.«
Unbewusst hielt Sophie den Atem an. Farids Worte fielen ihr ein. Henri hat keine Achtung vor den Gefühlen der Menschen, die ihn umgeben. Er verletzt sie, er nutzt seine Stellung und seine Macht hemmungslos aus. Er ist ein selbstgerechter, manipulativer Bastard, und jemand sollte ihm gehörig die Flügel stutzen.
Hatte Farid das bereits getan? Hatte er die gestrige Szene bewusst arrangiert? Das Fenster des Salons zeigte auf den Weg zu den Stallungen. Farid hatte also genau gewusst, wann Vincent zurückkam. Die Annahme, dass ihn sein erster Weg in den Salon führte, lag ebenfalls nahe.
Ihr Mund wurde trocken. Sie hatte in der vergangenen Nacht ohnehin viel zu viel an Farid gedacht. Aber wenn er tatsächlich das Schicksal des Herzogs in seine Hand genommen hatte, um ihm - berechtigt oder nicht - eine Lehre zu erteilen, dann fügte das seinem Charakter eine Facette hinzu, mit der sie nie gerechnet hätte. Der Farid, den sie zu kennen glaubte, hätte sich über seine Mitmenschen und deren Handlungen nur dann den Kopf zerbrochen, wenn es ihm zum Vorteil gereichte.
Dann verwarf sie den Gedanken. Alles nur Zufall, und Farid war nichts weiter als ein triebhafter, egozentrischer Lüstling, dessen Gemüt niemals die nötige Tiefe und Einsicht für ein derartiges Tribunal haben konnte.
»Ich werde Euch vermissen, Sophie.« Vincent zog sie an sich. »Denkt nicht allzu schlecht von mir, und macht euch keine Sorgen. Bei allen Fehlern, die er auch haben mag - Henri hält seine Versprechen. Ihr werdet nie wieder in Eurem Leben Hunger leiden oder Angst vor dem Morgen haben müssen.«
Sie erwiderte die Umarmung. »Kann ich nichts sagen, um Euch umzustimmen?«
»Nein«, antwortete er müde. »Wenn ich jetzt nicht gehe, dann gehe ich überhaupt nicht. Aber dann ist nichts mehr von mir übrig, vor dem ich Achtung haben kann.«
Sie nickte. So tragisch es auch war, sie verstand ihn. Schließlich hatte sie Franco aus ähnlichen Gründen verlassen, auch wenn ihre Liebe da schon längst erkaltet war. »Wo werdet Ihr hingehen, wisst Ihr das schon?«
»Nein, ich wende mich fürs Erste nach Norden. Lyon ist eine große Stadt, dort werde ich sicher eine Stelle finden.« Er ließ sie los, und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie von nun an allein war. Wirklich allein. Mit einiger Mühe straffte sie sich und zwang ein Lächeln auf ihre Lippen. »Ich wünsche Euch Glück, Vincent. Und dass Ihr findet, was Ihr sucht.«
Er küsste zuerst ihre rechte und dann ihre linke Hand. »Ich danke Euch, Sophie, und ich gebe diesen Wunsch aus ganzem Herzen zurück.«
Mit diesen Worten ging er zur Treppe, und Sophie wandte sich ab, um kurz darauf vor Henris Arbeitszimmer stehen zu bleiben, aus dem Vincent gekommen war. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, und trat ein, ohne anzuklopfen. Doch als sie leise die Tür öffnete, erhaschte sie keinen Blick auf einen von Gram zerfressenen, verzweifelt mit dem Schicksal hadernden Herzog.
Wie gewöhnlich saß Henri an seinem Sekretär und schrieb mit einer großen Gänsefeder. Er sah erst auf, als er diese in das Tintenfass tauchte. »Sophie, meine Liebe, was
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