Der Duft der Rose
Zeigefinger aus, und eine kleine Faust schloss sich darum. »Ich habe mir Namen für die beiden überlegt.«
»Ja?« Ghislaine blickte lächelnd auf. »Ich bin gespannt, lasst hören!«
Er atmete noch einmal tief durch. »Jacques und Henri.«
Ghislaine fühlte sich, als hätte sie einen Schlag in den Magen bekommen. Sie musterte ihn durchdringend. »Das musst du nicht tun«, sagte sie leise.
»Ich weiß. Aber es ist konsequent. Und es macht die Dinge einfacher.«
»Für wen?«
»Für uns alle.«
Sie senkte den Kopf und schwieg. Sie hatte nicht mit diesem Vorschlag gerechnet, nicht einmal selbst daran gedacht. Obwohl es natürlich nahelag. Das flaue Gefühl in ihrem Magen verstärkte sich, denn sie begriff, was die weiteren Folgen seiner Entscheidung waren, und kämpfte heftig darum, nicht wieder in Tränen auszubrechen. Sie hasste das. Früher hatte sie niemals geweint. Egal, was passiert war. Jetzt genügte schon der Gedanke daran, was passieren könnte, und die Tränen flossen.
Mit einiger Mühe formulierte sie den nächsten Satz und hörte selbst, wie belegt ihre Stimme klang. »Das heißt, du gibst deinen Anspruch auf? Und gehst weg?«
Warum stellte sie eine Frage, wenn sie die Antwort darauf nicht hören wollte? Besser gesagt, wenn die Antwort darauf ohnehin auf der Hand lag. Sie wagte nicht aufzusehen und beschäftigte sich stattdessen damit, die Finger der Säuglinge zu zählen.
Nicholas nahm ihre Hand. »Es sind deine Kinder, Ghislaine«, sagte er ruhig. »Und das werden sie immer bleiben.«
Sie würde nicht weinen. Langsam hob sie den Kopf. Sie sollte ihm danken, aber wenn sie in sein Gesicht sah, ein Gesicht, das sie täglich bis in ihre Träume verfolgte, brachte sie kein Wort mehr über die Lippen.
»Und das andere ...« Er wischte mit dem Zeigefinger eine Träne von ihrer Wange. »Ich habe so lange darüber nachgedacht. Für alle ist es das Beste, wenn ich gehe ...«
Für mich nicht, schrie Ghislaine, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Gelähmt starrte sie ihn an und wartete auf die endgültige Bestätigung seiner Worte wie das Kaninchen auf den Biss der Schlange.
»Und ich bin überzeugt, dass es das Vernünftigste ist.« Er schloss die Augen, ehe er fortfuhr: »Aber ich kann nicht. Ich kann nicht von hier weggehen. Du hast recht, dass mir die Aufgaben hier große Freude machen. Außerdem will ich wissen, wie es mit der Seifenmanufaktur weitergeht. Doch das ist es nicht, das alles zählt nicht.« Er öffnete die Augen wieder. »Der Grund, warum ich hierbleibe, bist du, Ghislaine. Nur du. Ich liebe dich. Deshalb will ich versuchen, das Arrangement zu leben, das du vorgeschlagen hast. Ich zweifle daran, dass es funktionieren wird, aber ich will es versuchen.«
Sie spürte seine Anspannung. Er schob alle seine Grundsätze beiseite, seinen Stolz, seine Selbstachtung und einen großen Teil seiner Würde, weil ... er sie liebte. Erst jetzt sickerte die Botschaft in ihren Verstand.
»Du liebst mich?«, flüsterte sie ungläubig. »Wie kannst du mich lieben, nach allem, was geschehen ist? Nach allem, was ich getan habe?«
Er hob die Schultern. Ein hilfloses und etwas melancholisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Ich weiß es nicht. Wenn ich es wüsste, könnte ich vielleicht etwas dagegen tun.«
Ein außergewöhnlicher Mann wie er konnte natürlich keine gewöhnliche Liebeserklärung machen. Aber sie begriff auch, dass er sich im Klaren darüber war, dass ihm seine Entscheidung vermutlich endlose Schmerzen bescheren würde. Und dass er trotzdem dazu stand.
Sie beugte sich zu ihm. »Dann kann ich nur hoffen, dass es so bleibt und du nie herausfindest, warum du mich liebst.«
Der Kuss war sanft und nahm ihr dennoch den Atem. Sie kostete ihn bis zur Neige aus - so lange, bis die beiden Säuglinge zwischen ihnen zu krakeelen anfingen.
»Jacques und Henri also«, murmelte sie und blickte die Zwillinge an. »Ich werde meinem Bruder schreiben, damit er zur Taufe kommt, aber ich will kein großes Fest.« Sie sah Nicholas an. »Hast du einen zweiten Vornamen?«
Er schüttelte den Kopf. »Warum?«
»Nun, meine Kinder bekommen mehr als einen Namen. Henri Nicholas, und wenn du einen zweiten Namen hättest, dann bekäme ihn Jacques.«
»Francois«, sagte er ohne nachzudenken und blickte auf die Säuglinge. »Jacques Francois.«
Ghislaine lächelte. »Gut. Henri Nicholas und Jacques Francois.« Sie betrachtete Nicholas, wie er die Knaben ansah. Dann kam ihr unvermittelt ein Gedanke, der
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