Der Duft der Rose
über das Gesicht.
»Jacques.« Mehr brachte sie nicht über die Lippen, aber Nicholas verstand und fluchte laut.
»Diabolo ist nicht mehr im Stall.« Er drehte sich um, lief zu den Wassereimern und schüttete sich einen über den Kopf. Dann stürzte er zurück in die Flammenhölle.
»Nein!«, schrie Ghislaine ebenso verzweifelt wie vergebens. Sie zuckte zusammen, als die Dachbalken mit einem lauten Knall einstürzten und Funken durch die Nacht wirbelten. Ghislaine hatte sich nie für einen gläubigen Menschen gehalten, da Gott ihr Flehen immer wieder ignoriert hatte, aber in diesem Moment begann sie zu beten.
Stunden schienen vergangen zu sein, als drei Männer aus dem Feuermeer auftauchten. Vor Erleichterung schloss Ghislaine die Augen. »Ich danke dir«, murmelte sie gen Himmel und gelobte insgeheim, eine Messe lesen zu lassen.
Sie folgte Nicholas und Laurent, die Jacques in ihrer Mitte hielten. Seine Füße schleiften über den Boden, der Kopf hing nach hinten. Offensichtlich war er bewusstlos. Etwas abseits legten sie ihn hin. Ghislaine kniete sich neben seinen Kopf und strich ihm die angesengten Haarsträhnen aus dem Gesicht, das bis auf ein paar Rußflecken unversehrt war.
»Jacques, hörst du mich?« Sie tätschelte seine Wange, bis er die Augen aufschlug.
»Diabolo?« Seine Lippen formten das Wort ohne Stimme.
»Er ist in Sicherheit, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.« Liebevoll streichelte Ghislaine seine Stirn.
»Gut.« Wieder bewegten sich nur die Lippen. Er sah Ghislaine an, und sie lächelte ihm beruhigend zu. Seine Augen brachen ohne Vorwarnung und starrten blicklos in die Nacht.
Ghislaines Lächeln erstarb. »Jacques?« Sie drückte seine Hand, aber er reagierte nicht. »Jacques!«, wiederholte sie lauter, nicht gewillt zu akzeptieren, was sie sah.
Laurent strich mit der Hand über Jacques Augen und schloss die Lider.
»Nein«, murmelte Ghislaine. »Das kann nicht sein. Er ist nicht verletzt, er hat keinen Kratzer, keine Wunde. Er kann nicht tot sein. Bringt ihn auf sein Zimmer, und holt einen Arzt. Sofort!« Das letzte Wort schrie sie laut heraus.
»Comtesse, ich trage ihn auf sein Zimmer, aber er braucht keinen Arzt«, sagte Laurent tonlos.
»Er ist ohnmächtig, die Angst um Diabolo, die Aufregung ...« Sie spürte, dass Nicholas den Arm um sie legte. »Ein bisschen Ruhe und eine stärkende Medizin und ...«
Aus Jacques' Mundwinkel sickerte hellroter Schaum. Ungläubig starrte Ghislaine darauf, und dann wurde alles um sie herum schwarz.
25
Die nächsten Tage verschwammen in Ghislaines Erinnerung in einem trüben Nebel. Das angebotene Laudanum lehnte sie ab, trotzdem war ihr Verstand wie betäubt und unwillig, die einfachsten Dinge zu erledigen. Wie eine Marionette traf sie alle nötigen Vorbereitungen, um dem Comte du Plessis-Fertoc die letzte Ehre zu erweisen. Daneben ließ sie die beiden Kinder so gut wie gar nicht mehr aus den Augen.
Nicholas wich nicht von ihrer Seite und unterstützte sie, soweit es ihm möglich war. Allerdings war sie zu sehr in ihrer Trauer gefangen, um zu sehen, dass er sich völlig in sich zurückgezogen hatte und kaum mehr als zwei Sätze am Stück sprach.
Nachbarn aus der näheren und weiteren Umgebung kamen geschlossen zu dem pompösen Begräbnis, dem ein ebensolcher Leichenschmaus folgte. Immer wieder hörte Ghislaine Worte voller Mitgefühl, und die zahlreichen Beileidsbekundungen halfen ihr, das Geschehene zu verarbeiten und die unabänderliche Wahrheit zu begreifen.
Nachdem alles vorbei war und sich die Trauergesellschaft wieder in alle Winde zerstreut hatte, hatte sie endlich Gelegenheit, mit Henri allein zu sein. Er zog sie in seine Arme. Aneinandergeschmiegt saßen sie auf dem Sofa in der Bibliothek. »Sein Leben war schön und lebenswert, und das ist ganz allein dein Verdienst, Ghislaine. Niemand hätte besser für ihn sorgen können. Er hatte ein glückliches Leben, über viele, viele Jahre. Wie viele Menschen können das von sich behaupten?«
»Es ist so unsinnig«, sagte Ghislaine bekümmert. »Alles war so perfekt, er hat sich so über die Kinder gefreut und Pläne für sie gemacht. In seinem Zimmer stehen noch immer die Zinnsoldaten. Er hat ein gutes Dutzend davon in eine Schachtel gepackt, um sie für die Zwillinge aufzuheben.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Ich schaffe es nicht, seine Räume zu betreten. Ich kann noch immer nicht glauben, dass er nie mehr in mein Arbeitszimmer stürmen wird, weil er mir unbedingt etwas
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